Bericht: Risikogeburt belastet Partnerschaft
08.09.2000
Selbstbeschuldigungen und Kompetenzängste nagen an den Nerven der Eltern: Ob schon erfahren oder angesichts der ersten Geburt - ein Risikokindes setzt Partnerschaften einer starken Belastung aus. Die Angst steht für die Eltern im Vordergrund.
"Am Telefon traute ich mich nicht zu fragen, ob mein Kind lebt. Ich war überzeugt, daß es gestorben ist". Neben der Todesangst kommt auch Angst vor Behinderung und bleibenden Schäden hinzu. Natürlich haben die Väter auch Angst um die Frau, doch trotz ähnliche Ängste erleben Mütter diese intensiver und bedrohlicher. Das belastet die Partnerschaft enorm.
Der Verlust aller Idealvorstellungen
"Die gegenseitige Unterstützung der Eltern nimmt im Verlauf von wenigen Wochen ab", meint Dr. Löhr von der Universität Köln. Eine Frühgeburt versetzt die Eltern häufig in eine schwere emotionale Krise, es kommt zu einem Mehrfach-Verlust: Verlust des Ideal-Selbst als Vater oder Mutter, des Ideal-Kindes, der normalen Endschwangerschaft und Geburt. Viele Mütter erleben einen Schock.
"Ich war völlig unvorbereitet, was sollte ich jetzt schon mit dem Kind", reagieren sie
oft. Durch die verfrühte Elternschaft entsteht eine emotionale Belastung der Eltern: Sorge um Überleben und Zukunft des Kindes, Trauer um das erträumte gesunde Baby, Verunsicherung durch die Trennung vom Kind, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Schuldgefühle, Deprimiertheit, Überlastung, Wut, Vorwürfe und Verleugnung spielen eine wichtige Rolle.
Trennungsschmerz nach der Geburt
Trotz vieler Gemeinsamkeiten erleben Mütter und Väter die Frühgeburt ihrer Kinder unterschiedlich: Während Väter größtenteils verunsichert, mitunter aber gar glücklich nach der Geburt sind, ist bei Müttern ein Stimmungstief zu beobachten, sie reagieren heftiger, erschrocken oder voller Trauer.
Auch beim ersten Kontakt gibt es Unterschiede: Väter können ihr Kind kurz nach der Geburt sehen und berühren. Aufgrund ihrer meist schlechten Verfassung sind Mütter oft nicht in der Lage, sofort nach der Entbindung Kontakt zu ihren Kindern herzustellen. Da Entbindungen per Kaiserschnitt meist in Vollnarkose vollzogen werden, leiden Mütter unter Trennungsschmerz.
Grübelnde Mütter, optimistische Väter
Beide Eltern wenden nach der Frühgeburt unterschiedliche Bewältigungsstrategien an: Während Mütter emotional entlastende Zuwendung suchen, geben sich Väter optimistisch zupackend. Demzufolge zeigen sich Väter aktiv, problemanalytisch und optimistisch. Mütter geben sich ihrem Schicksal hin und warten passiv ab, sie suchen Zuwendung und Unterstützung.
Zusätzlich beobachtet Dr. Löhr bei Müttern Selbstbeschuldigung und Kompetenzängste, die jedoch mit der Zeit nachlassen. Nach einigen Wochen ändern Mütter ihr Verhalten, indem sie weniger grübeln und wie ihre Partner versuchen, die Probleme analytisch anzugehen.
Psychologische Hilfe unumgänglich
Dr. Löhrs Interesse galt der psychischen Situation von Eltern nach einer Frühgeburt, da diese seiner Meinung nach großen Einfluß auf die psychosoziale Entwicklung von Neugeborenen hat. So können partnerschaftliche Probleme, elterliche Depressionen oder Probleme in der Eltern-Kind-Interaktion die kindliche Entwicklung negativ beeinflussen. Um Entwicklungdefizite bei Frühgeborenen zu vermeiden, sollte Eltern in dieser schwierigen Phase geholfen werden.
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