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Angstkontrolle im Gehirn

29.06.2000

Forum of European Neuroscience:
Forscher der Universität Bremen fanden heraus, welche Gehirnregion Angstgefühle hemmen und kontrollieren kann. Schwedische Wissenschaftler sind der unbewussten Steuerung der Angst auf der Spur. Ihre Ergebnisse präsentieren die Forscher auf dem Forum of European Neuroscience in Brighton.

Manche Menschen fürchten den Zahnarzt, andere nicht - eine Alltagsbeobachtung. Wer zumeist mit dem erleichterten Seufzer "er hat gar nicht gebohrt!" vom Behandlungsstuhl klettert, wird ohne Angst seinen nächsten Termin vereinbaren. Wer aber schlechte Zähne hat und darum immer wieder eher unangenehme Erfahrungen beim Zahnarzt-Besuch macht, lernt, die nächste Behandlung zu fürchten.

Welche Strukturen und biochemischen Prozesse im Gehirn beteiligt sind, wenn Angst gelernt oder unterdrückt wird, untersuchen Prof Koch und Dr. Schauz von der Universität Bremen. "Wir wollen herausfinden, wie Angst im Gehirn natürlicherweise kontrolliert wird", erklärt Koch.

Von solchen Erkenntnissen könnten jene schätzungsweise 20 Prozent der Bevölkerung profitieren, die unter Angststörungen, Phobien oder Panikattacken leiden. "Denn bei den Betroffenen ist vermutlich jener Mechanismus gestört, der bei Gesunden die Entstehung von Angstgefühlen unterdrücken kann", vermutet Koch.

Die so genannten Mandelkerne (Amygdala), tief in der Großhirnrinde, sind entscheidend beteiligt, wenn Tier und Mensch lernen, in bestimmten Situationen Angst zu haben. Denn die Mandelkerne sind Teil jenes "limbischen Systems", das bei der Entstehung der Gefühle eine zentrale Rolle spielt.

Koch und Schauz haben nun herausgefunden, dass in den Mandelkernen auch jene Prozesse ablaufen, die Angst kontrollieren können. Andere Gehirnstrukturen, die ebenfalls bei der Entstehung von Angst beteiligt sind, haben darauf hingegen keinen Einfluss, wie die Forscher festgestellt haben.

Die Forscher haben durch Experimente mit Ratten entdeckt, dass ein harmloser Lichtreiz in den Mandelkernen offenkundig eine Gedächtnisspur hinterlässt. Wird danach ein solches harmloses Signal mit einem unangenehmen Reiz kombiniert, zeigen die Tiere - trotz der unangenehmen Erfahrung - in einem darauffolgendenTest mit dem harmlosen Lichtsignal keine Angstreaktion.

Das ist die Erfahrung der Menschen mit guten Zähnen. "Offenkundig muss eine angstfreie Erinnerung erst durch eine angstbesetzte "überschrieben" werden", sagt Koch. Das könnte erklären, warum die Ratten - trotz einer unangenehmen Erfahrung - auch später keine Angst haben. Die angstfreie Erinnerung schützt die Tiere davor, überängstlich zu reagieren.

"Für die Kontrolle und Hemmung der Angst", erklärt Koch, "sind ebenfalls die Mandelkerne verantwortlich." Dies konnten die Forscher in weiteren Experimenten belegen: Sie unterdrückten, während die Tiere mit den harmlosen Lichtreizen konfrontiert wurden, gezielt die biochemische Signalverarbeitung in der Amygdala.

Nach der nachfolgenden Konditionierung - mit Licht und unangenehmem Reiz - reagierten die Tiere auch auf die harmlosen Lichtsignale verschreckt. Sie hatten offenkundig keine angstfreie Erinnerung an das Lichtsignal gebildet. Wurde die Reizverarbeitung hingegen in anderen Gehirnstrukturen blockiert, blieb dieser Effekt aus. Nun hoffen die Forscher, dass solche Einsichten in die biochemischen Prozesse der Angsthemmung die Entwicklung spezifischerer Medikamente gegen Angststörungen ermöglicht.

Emotionen entstehen schneller als die bewusste Wahrnehmung: Die komplexen Prozesse im Gehirn, die Angstgefühle erzeugen, laufen mit enormer Geschwindigkeit und daher vielfach unbewusst ab. Das bestätigen Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren von Professor Arne Öhman vom Karolinska Institut in Stockholm. Offenkundig reagieren die Mandelkerne bereits auf noch unbewusste, sehr frühe und unvollständige Informationen aus dem Sinnessystem.

Dies ermöglicht es dem Organismus, sofort zu reagieren, um einer drohenden Gefahr auszuweichen. "Unsere Studien zeigen", so Öhman, "dass Emotionen unbewusst aktiviert werden können. Wir nehmen nicht erst eine Bedrohung wahr und reagieren danach auf diese mit ängstlichen Gefühlen, sondern wir reagieren erst emotional und realisieren danach die Bedrohung." Diese Erkenntnis von Öhmann stützt eine sehr alte Theorie, die der amerikanische Philosoph James Lange bereits vor hundert Jahren aufgestellt hat: Wir fürchten uns vor dem Bären, weil wir vor ihm davon laufen.

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