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Bericht: Körpertherapien gegen Magersucht

23.06.2000

In ihren frühen Stadien oft durch den Schlankheitswahn unserer Gesellschaft überdeckt, entwickelt die Magersucht sukzessive einen ungeheuren Leidensdruck: Magersüchtige - vor allem Frauen - haben das Gespür für ihren Körper und seine Bedürfnisse verloren. Bewegungstherapie soll ihnen dies wieder vermitteln helfen.

Bei chronischen Fällen erweist sich Magersucht häufig auch im Rahmen einer Bewegungstherapie als unbeeinflußbar, doch lassen sich bei schwächer Erkrankten Erfolge erzielen. Die Patientinnen nehmen stärker an Gewicht zu, beschäftigen sich gedanklich weniger mit dem Essen und überwinden ihre Depression besser.

Alle Patientinnen - auch die chronisch Kranken - empfinden die Bewegungstherapie als besonders wohltuend und favorisieren sie gegenüber vielen anderen Therapiemaßnahmen. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie, die Dr. Ralf Müller an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Universität zu Köln erstellt hat.

Depressiv und ständig ans Essend denkend
Der Mediziner interviewte 10 stationär behandelten Patientinnen im Alter von 14 bis 17 Jahren. Er befragte sie zu Eßgewohnheiten, seelischer Verfassung, körperlichen Beschwerden und der Wahrnehmung des eigenen Körpers. Die Befragten weisen Dr. Müller zufolge eine für Magersüchtige typische Symptomatik auf:

Die Gedanken der Patientinnen kreisen ständig ums Essen, während sie sich mit Diäten, Abführmitteln oder Brechanfällen selbst kasteien. Oft umfängt sie eine tiefe Depression. Die Signale ihres Körpers, wie z.B. Hungergefühle, werden nicht mehr richtig wahrgenommen oder ignoriert. Dabei verleugnen die Patientinnen den Zustand der körperlichen Auszehrung ebenso beharrlich wie die zugrundeliegenden seelischen Konflikte.

Mehr als nur falsche Schönheitsideale
Die Patientinnen empfinden sich stets als zu dick, gleichgültig, auf welches Gewicht sie sich schon heruntergehungert haben. Das Schlankheitsideal der heutigen Zeit trägt sein übriges dazu bei, doch scheint ein Konglomerat verschiedener anderer Faktoren für die Entstehung der Magersucht verantwortlich zu sein. Dazu zählen Probleme in der Eltern-Kind-Beziehung, seelische Belastungen oder auch biologische und genetische Einflüsse.

Intelligent und fleißig, jedoch unselbständig, introvertiert, überangepaßt und unsicher im sozialen Umgang, ist es um das Selbstvertrauen der Betroffenen häufig schlecht bestellt. Dies drückt sich vor allem im negativen Körperbild aus, was nicht allzu verwunderlich ist, da Schönheit für Frauen häufig immer noch gleichbedeutend mit sozialer Anerkennung ist.

Ausbruch aus der sozialen Isolation
Im Rahmen der Bewegungstherapie gilt es den Betroffenen wieder ein Gefühl für den eigenen Körper zu vermitteln. Sowohl körperliche als auch psychische und soziale Kompetenzen sollen auf diese Weise gefördert werden. Vorwiegend geht es um die Stärkung des Selbstvertrauens, der Autonomie und der allgemeinen Leistungsfähigkeit. Die Patientinnen sollen überdies aus ihrer sozialen Isolation befreit werden.

Einzeln und in der Gruppe erproben die Patientinnen schrittweise die Möglichkeiten ihres Körpers. Übungen, bei denen es darum geht, den eigenen Körper zu erspüren oder sich bewußt im Raum zu bewegen, stehen dabei ebenso auf dem Programm wie Partnerübungen, das Training an einfachen Geräten sowie Fitneß- und Gymnastikeinheiten. Daneben kommt Entspannungstechniken eine große Bedeutung zu.

Trotz großer Erfolge bleibt Unzufriedenheit mit dem Körper
In der Patientengunst stehen solche Übungen weit über dem Gruppengespräch oder der Musiktherapie. Das einzige Therapieelement, das eine ähnlich positive Resonanz erfährt, ist Dr. Müller zufolge, das Einzelgespräch. Im Laufe der Therapie reduzieren sich die körperlichen Beschwerden bei den Betroffenen zunehmend. Darüber hinaus beschäftigen sie sich gedanklich weniger mit dem Essen.

Mit zunehmendem Gewicht schwinden die Depressionen. Doch obgleich im Rahmen der Therapie eine größere Vertrautheit mit dem eigenen Körper aufgebaut wird, bleibt die Unzufriedenheit mit den Körperdimensionen bei nahezu allen Betroffenen bestehen. Das Gefühl, zu dick zu sein, steigt überproportional zum Gewicht sogar an. Die Körperbildstörung ist also überaus konstant.

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