medizin.at
 

 

 

 

 

 

 

 


News



Bericht: Gefahr für Fortschritt der Medizin

16.06.2000

Resistenzen drohen den medizinischen Vortschritt umzukehren: Erkrankungen wie Hepatitis, Hals- und Ohrenentzündungen, aber auch Tuberkulose (TB) und Malaria laufen Gefahr, unbehandelbar zu werden. Die Zeit drängt, denn neue Medikamente sind nicht in Sicht und die Zahl unbekämpfbarer Keime steigt von Monat zu Monat.

Ein Bericht der WHO warnt, daß zunehmende Resistenzen die Welt ihrer Möglichkeit beraubt, Krankheiten zu kurieren und Epidemien zu stoppen: Die Resistenzen bedrohen den medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte.

"Wir riskieren den Verlust unserer Medikamente"
"Momentan haben wir wirksame Medikamente gegen nahezu jede Infektion, wir riskieren jedoch diese wertvollen Medikamente und damit die Möglichkeit infektiöse Erkrankungen zu kontrollieren, aufgrund der zunehmenden Resistenzen zu verlieren", erklärt Dr. Brundtland, Generaldirektor der WHO. Denn nahezu alle Infektionserkrankungen werden langsam aber sicher gegen existierende Medikamente resistent.

In manchen Regionen wichtige Medikamente nicht mehr wirksam
So etwa sind in Estland, Litauen, Teilen Russlands und Chinas bereits mehr als 10% der TB-Patienten mit einem TB-Stamm infiziert, der gegen die beiden wirkungsvollsten Medikamente resistent sind. In Thailand können die drei wichtigsten Malariamedikamente nicht mehr eingesetzt werden.

Gegen ein relativ neues Hepatitis B-Medikament entwickeln 30% der Patienten innerhalb eines Behandlungsjahres Resistenzen. In Indien sprechen 60% der an viszeraler Leishmaniase Erkrankten nicht mehr auf die Behandlung an. Auch gegen AZT und andere HIV-Medikamente treten bereits die ersten Resistenzen auf.

Medikamente oft binnen 10 Jahren nach Entwicklung unbrauchbar
Die Möglichkeiten, in Entwicklungsländern effizient etwa gegen Geschlechtskrankheiten zu wirken, werden durch die Resistenzen drastisch eingeschränkt: Zum Beispiel sind in Südostasien 98% der Tripper-Stämme resistent gegen Penizillin.

"Die Entwicklung von Penizillin für medizinische Anwendungen dauerte 20 Jahre, weitere 20 Jahren dauerte es um weltweit nahezu unbrauchbar zu werden", meint Dr. Heymann von der WHO.

"Vor 10 Jahren konnt in Indien Typhus mit drei Medikamenten behandelt werden. Nun sind diese Medikamente weitgehend unbrauchbar. Vor zehn Jahren konnte eine Shigella-Epidemie leicht unter Kontrolle gebracht werden. Heute reagiert kaum noch ein Stamm auf das Medikament Cotrimoxazol".

Resistenzentwicklung durch Anwendungsfehler und globale Reisen
Die Resistenz gegen Antibiotika ist ein natürliches, biologisches Phänomen das jedoch vielfach auf Fehlanwendung zurückzuführen ist. Die Folge ist, daß einst lebensrettende Medikamente auf die Wirksamkeit einer Zuckerpille reduziert werden.

In den USA sterben jährlich 14000 Menschen an resistenten Infektionen, die sie sich in Spitälern zugezogen haben. Weltweit sind mehr als 60% der in Spitälern zugezogenen Infektionen resistent.

Unabhängig von den Ursachen sorgt der weltweite Verkehr für die rasche Verbreitung der Bakterienstämme. Mittels DNA-fingerprint Technologie konnten Forscher nachweisen, daß die resistenten TB-Stämme, die zunehmend in Westeuropa und Nordamerika auftreten, ihren Ursprung in Osteuropa, Asien und Afrika haben.

Arme haben zuwenig, Reiche bekommen zuviel
Die sozialen Ursachen, die die Verbreitung der Resistenzen unterstützen, sind paradox:
In armen Ländern führt der Mangel an Medikamenten zu ungenügender Behandlung - die Patienten können sich nicht genügend Medikamente leisten um eine Antibiotikakur lange genug durchzuführen, nachgemachte Medikamente werden auf dem Schwarzmarkt gekauft. Durch die unzureichende Dosis werden schwächere Keime abgetötet, stärkere Keime vermehren sich weiter und werden gegen den Wirkstoff resistent.

In reichen Ländern treten die Resistenzen aus gegenteiligen Gründen auf: Der Übergebrauch der Medikamente, wird unterstützt. Auch der Übergebrauch von Antibiotika in der Nahrungsmittelproduktion führt zu einer höheren Resistenz. 50% der Antibiotikaproduktion werden verwendet um Feldfrüchte oder Tiere zu behandeln und Vieh- und Geflügelwachstum zu fördern.

Die Zeit drängt - die Kosten steigen dramatisch
"Die Welt hat vielleicht noch 10-20 Jahre um die momentan verfügbaren Medikamente optimal einzusetzen. Wir müssen die Infektionen weltweit eindämmen bevor die Keime den Kampf gewinnen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit", meint Dr. Heyman.

Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Resistenzen sind atemberaubend. Die Kosten der Behandlung einer Person mit multiresistenter TB sind 100x höher als bei nichtresistenter. New York City gab Anfang der 90er 14 Milliarden Schilling für die Behandlung multiresistenter TB aus.

Kein Medikamentenersatz in Sicht
Es ist ein Irrtum, zu glauben, die Pharmaindustrie ersetze die unbrauchbar gewordenen Medikamente durch neue Entdeckungen. Die meisten "neuen" Medikamente sind Weiterentwicklungen bekannter Wirkstoffe. Die Entwicklung eines neuen Medikamentes dauert 15-20 Jahre und kostet, nach Angaben der Pharmaindustrie, über 7 Milliarden Schilling.

"Wenn wir uns auf die Entwicklung neuer Medikamente verlassen statt die zur Verfügung stehenden achtsamer einzusetzen, pokern wir hoch. Es ist in der Forschung kein neues Medikament abzusehen, das in naher Zukunft Marktreife erlangen könnte", warnt Heymann.

Medikamente achtsamer einsetzen
"Ein achtsamer Gebrauch der verfügbaren Medikamente kann uns helfen, die heutige Epidemien und künftige Resistenz-Katastrophen zu verhindern. Wenn die Welt es verabsäumt, schnell zu handeln, werden die Resistenzen uns in eine Prä-Antibiotika-Ära zurückwerfen. Noch unsere Großeltern lebten in einem Zeitalter ohne effektive Antibiotika, schon unsere Enkel könnten sich in einer ähnlichen Situation wiederfinden", mahnt Dr. Brundtland.

© medizin.at


medflash u. medizin.at sind Produkte der treAngeli/ARGE teledoc.
Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Die Nachrichten sind
nur für die persönliche Information bestimmt. Jede weitergehende Verwend-
ung, insbesondere die Speicherung in Datenbanken, Veröffentlichung, Ver-
vielfältigung und jede Form von gewerblicher Nutzung sowie die Weitergabe
an Dritte - auch in Teilen oder in überarbeiteter Form - ohne Zustimmung
von treAngeli/ARGE teledoc ist untersagt. Es wird seitens der Urheber jede
Haftung für Inhalte und deren Auswirkungen ausgeschlossen. Wien, 1/2000

 

editorial
kommentar

medflash
(Fachbereich)

newsroom

links
österreich
international

fragen
themenliste

kontakt
redaktion
herausgeber
medieninfo

partner

help

 

© treAngeli, 1999.