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Blutspenden heilt, darf aber nicht helfen

07.10.1999

Die Hämochromatose ist eine hereditäre Eisenspeicherkrankung und eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselkrankheiten. Sie beruht auf einer etwa verdoppelten Eisenresorption im Dünndarm. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Eisenablagerung in verschiedenen Geweben, v.a. in Leber, Herz, ZNS, Pankreas und gonadotropen Zellen der Hypophyse. Ein frühzeitiger Nachweis und Therapiebeginn verhindert derartige Schädigungen und normalisiert die Lebenserwartung.

*Selektionsvorteil Diese Erkrankung betrifft ausschließlich die weiße Bevölkerung und geht bis auf das keltische Volk zurück. Prof. Dr. Peter Ferenci, Univ.-Klinik für Innere Medizin IV, Klin. Abt. für Gastroenterologie und Hepatologie: "Einer Theorie zufolge stellte die Hämochromatose vor 2.000 bis 3.000 Jahren einen Selektionsvorteil dar, da sich für die Menschen bei sehr rarem Fleisch- und damit Eisen-Angebot der Vorteil der überhöhten

Eisenaufnahme als lebensnotwendig erwies. Nicht-Mutationsträger zu sein war also damals eher ein Nachteil." Krankheitssymptome treten gehäuft bei Männern ab dem 30. Lebensjahr auf. Frauen genießen den "Vorteil", bis zur Menopause auf physiologischem Weg durch ihre Regelblutung die Eisenspeicher zu entleeren. Bei ihnen manifestieren sich daher die Folgen einer chronischen Eisenspeicherung später. Ferenci beschreibt die ersten Symptome: "Die Patienten kommen in den meisten Fällen aufgrund von Gelenksbeschwerden oder Diabetes." Dieser entsteht aufgrund der Eisenablagerungen im Pankreas und der daraus resultierenden Zerstörung insulinproduzierender Zellen. "Oftmals ist auch eine Kardiomyopathie mit den klassischen Symptomen einer Herzinsuffizienz bzw. Herzrhythmusstörungen zu finden. Bei Befall des Hodens kann auch Impotenz als eines der ersten Symptome auftreten", ergänzt Ferenci. "Die Patienten sind im allgemeinen müde und häufig hyperpigmentiert."

Mit folgenden Hauptproblemen müssen an Hämochromatose erkrankte Patienten rechnen: Das generelle Karzinom-Risiko steigt um 50 Prozent, die Infektneigung wächst. Die Eisen-Speicherung ist ein bisher zu wenig beachteter Risikofaktor für die Entwicklung koronarer Herzkrankheiten. Die Eiseneinlagerung in die Leber führt letztendlich zur Zirrhose. Die Hämochromatose führt demnach zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität und senkt die Lebenserwartung, falls sie nicht frühzeitig erkannt und therapiert wird. Von besonderer Bedeutung ist daher der Einsatz von Screening-Methoden, die eine möglichst frühzeitige Diagnose erlauben. Bisher stand die Transferrinsättigung zur Verfügung, die allerdings nicht ausreichend sensitiv ist.

Mitte 1996 wurde das mit der Hämochromatose assoziierte Gen am Chromosom 6 lokalisiert. Es kodiert für ein dem HLA-Locus assoziiertes Protein, welches die vorläufige Bezeichnung HFE trägt. Eine Punktmutation (CYS 282 TYR) dieses Gens findet sich bei den meisten Patienten mit hereditärer Hämochromatose. In Österreich wurde diese Mutation bei 77 Prozent der Patienten gefunden (Dr. Christian DATZ et al, LKH Salzburg).

*Regelmäßige Aderlässe Eine von Ferenci durchgeführte Untersuchung von 500 Blutspendern in Ostösterreich ergab, daß 9,7 Prozent die Mutation aufweisen. "Daraus ergibt sich, daß zirka ein Prozent der Bevölkerung manifest erkrankt", resümiert Ferenci.

Während andere Gentests umstritten sind, weil sie Krankheiten diagnostizieren, für die derzeit noch keine Behandlung existiert, ist der Hämochromatose-Nachweis äußerst sinnvoll. Denn die Therapie ist denkbar einfach und billig: Entleerung der Eisenspeicher durch lebenslang durchzuführende regelmäßige Aderlässe. Blutspenden wäre daher bei Hämochromatose die Therapie der Wahl. Allerdings dürfen in Österreich per Gesetz kranke Menschen kein Blut spenden, ungeachtet ihres Leidens. Daher muß das Blut von Hämochromatose-Kranken verworfen werden. "Eine Gesetzesänderung wäre in diesem Sonderfall durchaus sinnvoll", regt Ferenci an. Denn einerseits könnten die Betroffenen ihre eigene Therapie quasi selbst finanzieren, andererseits könnten sie als Dauerspender große Mengen kostbaren Transfusionsgutes liefern. Ferenci: "Die Testung auf die CYS 282 TYR-Mutation könnte in Zukunft als Screening für die Hämochromatose verwendet werden. Derzeit wird der Test noch nicht kommerziell hergestellt, er ist jedoch jederzeit machbar und wird in fast jedem großen Spitalslabor eingesetzt." Ferencis Vorschlag: "An Blutspendern sollte der Test routinemäßig und gratis durchgeführt werden."

Die Erstmaßnahme für den Praktiker ist bei Patienten mit verdächtigen Symptomen wie beispielsweise unklaren Gelenksbeschwerden eine Bestimmung von Eisenparametern in Blut. Ist ein Eisenwert erhöht, so empfiehlt sich laut Ferenci die Überweisung zum Facharzt.

© medizin.at / ÄRZTEWOCHE

 

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