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Lebensqualität versus Krebsrisiko

07.10.1999

In den letzten Jahren wurde kein Thema so gegensätzlich diskutiert wie "Hormonsubstitution und Krebs". Anläßlich der Jahrestagung der AGO - "Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie" - wurden nun neue Zahlen zum Thema "Hormone und Krebs" vorgelegt. Die Bewertung der aktuellen Studien fällt deutlich positiver aus als noch vor einem Jahr. "Was den Hormonersatz im Klimakterium betrifft, verfügen wir über sehr ermutigende Daten, die für die Frauen nicht nur mit einem verlängerten Leben, sondern vor allem mit einer deutlich verbesserten Lebensqualtität gleichzusetzen sind," stellte Prof. Dr. Paul Sevelda fest.

*Polymorphes Symptombild Die Eierstockhormone erfüllen neben ihren Aufgaben in der Reproduktion zahlreiche extragenitale Aufgaben. Bei Störung oder nach Ausfall der Ovarialfunktion kann ein polymorphes Symptombild entstehen. "Hormonersatztherapie soll dort erfolgen, wo durch ein Hormondefizit Probleme entstehen, die die Lebensqualität der Frau stark beeinträchtigen,", so Prof. DDr. J. Huber von der Univ. Frauenklinik in Wien. "Aus prophylaktischer Sicht ist eine Hormonzufuhr dann sinnvoll, wenn Risikokonstellationen wie beispielsweise Knochenschwäche vorliegen."

Obwohl das Klimakterium keine Krankheit ist, kommt manchen Ausfallserscheinungen doch Krankheitswert zu. So entstehen perimenopausal auftretende Depressionen durch einen Progesteronabfall über den sogenannten GABA-Rezeptor. Die Verschreibungsrate von Psychopharmaka steigt bei der Frau zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr in Österreich um 400% an. Bei den Depressionen, die durch Hormonstörungen bedingt sind, besteht die kausale Behandlung daher in der physiologischen Hormonersatztherapie. Die Athropathia climacteria wiederum ist wie das Sicca-Phänomen (trockene Augen, trockener Mund) durch Östrogenmangel bedingt. Auch die kardiovasculären Erkrankungen und ihre Mortalität wurden untersucht. Die Häufigkeit, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie etwa Myokardinfarkt zu sterben, sank um 53%. Im Tierversuch konnte die Wiederverschlußrate nach Ballonaufdehnung mit postoperativer Östrogenanwendung gesenkt werden. Zur Zeit gibt es eine interdisziplinäre Studie am Wiener AKH der "Abteilung für Gefäßchirurgie" und der "Kardiologischen Universitätsklinik."

"Das Problem der Hormonersatztherapie besteht generell nicht in der Gefährlichkeit der Hormone, sondern in der Gefahr einer Fehldosierung oder der falschen Indikationsstellung", faßte Huber zusammen. "Betrachtet man 1.000 gesunde Frauen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr, die keine Hormone bekommen, so müssen etwa 45 von ihnen mit einem Mamma-Carcinom rechnen. Nach einer 5-jährigen Hormonersatztherapie steigt dieser Anteil auf 4,9 Prozent an, das sind zwei Frauen mehr aus tausend. Nach 10 Jahren sind es 6, nach 15 Jahren 12 Frauen mehr", berichtete Sevelda, Vorstand der Gynäkologie im Krankenhaus Lainz in Wien über Zahlen, die im Vorjahr im Lancet veröffentlicht wurden.

*Reduzierte Mortalität unter Hormonersatztherapie. Auch die Analyse der "Nurses Health Study" (Grodstein et al., N. Engl. J. Med. 1997, Vol 336) kam zu äußerst positiven Ergebnissen. Die generelle Krebssterblichkeit nimmt unter Hormonersatztherapie um 29% ab, wir finden um 35% weniger Dickdarmkrebs bei einer um 54% reduzierten Mortalität. Die Brustkrebsmortalität geht um 24% zurück. Frauen unter Hormonersatztherapie entwickeln demnach "gutartigere", nämlich höher differenzierte Carcinome mit geringerer Metastasierungsrate. Auch scheinen Frauen unter Hormonersatztherapie gesundheitsbewußter zu leben. Sie nehmen Vorsorgeuntersuchungen wie regelmäßige Brustselbstuntersuchung und Mammografie ernster, damit erhöhen sich Früherkennungsrate und Heilungschance.

Das Endometriumcarcinom ist das Paradebeispiel für ein hormonsensibles Malignom. So gilt heute die Monotherapie mit Östrogenen bei erhaltenem Uterus als obsolet, da sie zu einer signifikanten Riskoerhöhung beim Endometriumcarcinom führt. Man weiß heute, daß eine ausreichende Gestagen-Gabe mindestens für 12 Tage des Therapiemonats dauern muß.

Das Risiko für die beiden anderen gynäkologischen Carcinome - das Cervix- und das Ovarialcarcinom wird durch eine Hormonersatztherapie nicht beeinflußt. "Bei Frauen mit diesen Erkrankungen ist eine Hormonersatztherapie unbedenklich. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Hormonersatz aber auch nach Mamma- und Endometriumcarcinomen möglich", meinte Prof. Dr. Wolfgang Urdl von der Geburtshilflich-Gynäkologischen Universitätsklinik in Graz.

"Zusammenfassend kann gesagt werden, daß selbst bei einem geringfügigen Risikoanstieg bezüglich des Brustkrebses die Hormonsubstitution zu einer Steigerung der Lebensqualität bei gleichzeitig verminderter Sterblichkeit führt", so Prof. Sevelda.

© medizin.at / ÄRZTEWOCHE

 

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