Zirka fünf bis 17 Prozent aller Kinder leiden zumindest einmal pro Woche unter Kopfschmerzen, sechs Prozent sogar täglich, wobei die Anzahl der Betroffenen deutlich ansteigt. "Alltagstätigkeiten müssen bei 80 Prozent der betroffenen Kinder unterbrochen werden, 20 Prozent benötigen Medikamente", berichtet OA Dr. Leonhard Thun-Hohenstein, Kinder-und Infektionsabteilung, LKH Salzburg.
Zunächst ist zwischen primärem und sekundärem Kopfschmerz zu unterscheiden. Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Schwindel können wichtige Hinweise liefern. Als häufige internistische Grunderkrankungen nannte Thun-Hohenstein Infektionen im HNO-Bereich und Stoffwechselerkrankungen. "Auch an das mögliche Vorliegen eines Hirntumors sollte gedacht werden. Eine gute klinisch-neurologische Diagnostik ist daher unumgänglich."
Auf apparative Untersuchungsmethoden kann in den meisten Fällen verzichtet werden. Thun-Hohenstein: "Bei migräneartigen Kopfschmerzen ist ein EEG zum Ausschluß einer Epilepsie hilfreich, da hier Überschneidungen nicht selten sind. Eine zunehmende Intensität der Schmerzen, ungewöhnliche neurologische Symptomatik und besonders nächtliche Kopfschmerzen mit Erbrechen stellen eine Indikation zur Abklärung mittels bildgebender Verfahren wie CT oder MRT dar."
Kindliche Kopfschmerzen treten meist in zwei typischen Formen auf, die sich schon anamnestisch voneinander abgrenzen lassen: die Migräne und der Spannungskopfschmerz.
Schokolade macht nicht nur Zahnweh
Die kindliche Migräne ist durch anfallsartiges Auftreten mit beschwerdefreien Intervallen gekennzeichnet. Pulsierende Kopfschmerzen, die bis zu drei Stunden anhalten können, sind häufig von Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Appetitlosigkeit begleitet. "Anders als Erwachsenen können Kinder mit Migräne den Schmerz meist nicht genau lokalisieren", erläuterte Thun-Hohenstein. Bezeichnend für den Migränekopfschmerz ist eine Verschlechterung durch Wärme und Licht, Schlaf führt hingegen zur Besserung. Als Auslöser für die Schmerzattacken sind neben Streß, Lärm und Wetterveränderungen auch Hunger oder bestimmte Nahrungsmittel wie etwa Schokolade verantwortlich.
Spannungskopf- schmerzen werden als drückend beschrieben und können nach einer halben Stunde sistieren oder eine Woche lang anhalten. Die Beschwerden treten meist isoliert auf, und es besteht keine Licht- oder Lärmempfindlichkeit. Sie werden durch übermäßige, einseitige muskuläre Belastung ausgelöst. Hier spielen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle. Thun-Hohenstein: "Kinder mit Spannungskopfschmerzen zeigen oft eine emotionale Ausdruckshemmung und mangelnde Entspannungsfähigkeit."
Die Familie hilft mit
Die Kinder sind häufig durch die familiäre Situation für ihre Erkrankung prädisponiert. Thun-Hohenstein: "Das Kind lernt von seinen Eltern den Umgang mit Schmerz. Vorgaben wie <@145>ein Indianer kennt keinen Schmerz´ können Wegbereiter für eine gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers und später für Spannungszustände sein." Als weiteren entscheidenden Faktor führte der Experte hohen Leistungsdruck an.
Einen wesentlichen Therapieansatz stellen für Thun-Hohen- stein Informa-tion und Aufklärung dar: "Der Umgang mit Schmerz und die Bedingungen, unter denen er entsteht und aufrechterhalten wird, werden in Gesprächen bewußt gemacht." Gemeinsam werden Konzepte erarbeitet, die ein gesundes Schlafverhalten, einen regelmäßigen Lebensrhythmus und eine ausgewogene Ernährung beinhalten. Sehr hilfreich ist das
Erlernen von Entspannungstechniken.
Kindern und Eltern sollte klargemacht werden, daß sie den Symptomen und damit verbundenen Belastungen nicht hilflos ausgeliefert sind", betonte der Pädiater. In manchen Fällen sei eine psychotherapeutische Betreuung die Therapie der Wahl.
Medikamente seien nur in seltenen Fällen notwendig und nach Möglichkeit zu vermeiden.
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