"Zu den häufigsten psychischen Störungen gehören Phobien, charakterisiert durch die Bezogenheit auf ein Objekt: beispielsweise Agaro-, Sozial- oder Claustrophobie. Angststörungen hingegen sind generalisiert ohne ein bestimmtes Objekt", differenzierte Prof. Dr. Hans Georg Zapotoczky, Neurologisch-Psychiatrische Universitätsklinik Graz, am 7. Österreichischen Hausärztekongreß Ende Mai in St. Wolfgang. Der Experte widmete seinen Vortrag besonders der Sozialphobie.
*Amerikaner leiden unter Sozialphobien
Das Auftreten von Sozialphobien ist besonders in Amerika mit 13,3 Prozent der Gesamtbevölkerung erstaunlich hoch. In Europa beträgt ihr Anteil rund fünf Prozent. Frauen sind 2,5mal häufiger betroffen als Männer.
Phobien können sich bereits zwischen dem 5. und dem 9. Lebensjahr manifestieren. Sozialphobien setzen meist zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr ein, wenn das Verhalten sexualisiert wird. Ein Beginn nach dem 20. Lebensjahr ist selten. Meist fehlt dem Heranwachsenden ein entsprechenden Modell, sodaß er nie ein angepaßtes Verhalten in der Öffentlichkeit erlernt. Die Angst wird dann durch Aggression bewältigt. Mehr als die Hälfte der erwachsenen Sozialphobiker lebt allein, 84,4 Prozent suchen keine professionelle Hilfe auf.
*Vermeidungsverhalten führt zur Isolation
Zur Symptomatik gehört niedriges Selbstwertgefühl, der Patient "kommt wenig an", weil er kaum Signale aussendet. Furcht vor Kritik, Erröten und Händezittern gehören ebenso zum Krankheitsbild wie Übelkeit und Drang zum Urinieren sowie das Vermeiden von Blickkontakt. Das Vermeidungsverhalten führt schließlich zu vollständiger sozialer Isolation.
*Kind wird gehemmt
Die Angst stammt oft von den Eltern und wird den Kindern übermittelt, sodaß diese manchmal schon im Alter von vier Monaten reaktiv antworten. Die Mütter dieser Kinder beantworten häufig die vom Säugling ausgesandten Signale falsch.
Sie füttern zum Beispiel, wenn das Kind wegen Bauchschmerzen weint. Das Kind wird gehemmt, es spielt später auch nicht mit anderen. Um den Kreislauf zu unterbrechen, müßten die Eltern behandelt werden.
*Geringe Compliance bei Pharmakotherapie
Da meist ein Serotoninmangelsyndrom besteht, kommt am besten die Substanzgruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) zur Anwendung. Der Wirkungseintritt erfolgt allerdings manchmal erst nach 20 Tagen.
Die Compliance ist erwartungsgemäß schlecht, häufig kann die Tabletteneinnahme als "Gipsverband für die Nerven" plausibel gemacht werden. Ist nach einem Monat kein Erfolg zu verzeichnen, muß die Substanzgruppe gewechselt werden.
Bei starken vegetativen Erscheinungen können Betablocker helfen. Tranquilizer beeinträchtigen die Klarheit des Denkens und sind auf Dauer ungeeignet.
Neben der medikamentösen Therapie können weitere Methoden angeraten werden:
* - Aktive Entspannung
* - Konfrontation dort, wo sie am leichtesten ist. Der Patient soll einer Gruppe beitreten und sich darauf
vorbereiten. Er kann z.B. etwas lesen und die anderen fragen, ob sie das Buch kennen beziehungsweise darüber erzählen.
* - Selbstwertgefühl so stärken, daß dem Patienten sein Erröten egal wird. Beispiel: Der Kellner schaut ja nicht, ob der Patient rot wird, sondern wieviel Trinkgeld er gibt.
* - Der Patient soll etwas in der Hand haben, das vermittelt: "Ich habe etwas zu tun."
* - Die Aufmerksamkeit des Patienten von sich weglenken: "Was hat der andere für Sorgen?"
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