"Medikamente sind die häufigste Ursache für Vergiftungen", so Dr. Karl Hruby, Leiter der Wiener Vergiftungszentrale. Unter den Analgetika am gefährlichsten ist die Paracetamolüberdosierung. Hier kommt es bei Dosen 150 mg/kg Körpergewicht innerhalb von 24-48 Stunden zu Leberzerfall. Die Therapie innerhalb der ersten zehn Stunden ist das Antidot N-Acetyl-Cystein, danach kann nur mehr symptomatisch behandelt werden. Selten sind Überdosierungen von gängigen Medikamenten wie Antidiabetika oder herzwirksamen Medikamenten.
Mischvergiftungen kommen häufig vor
Hruby: "In der Regel kann man zuwarten, beobachten und symptomatisch behandeln." Gefährlicher sind Mischvergiftungen, die in ca. 60 Prozent der Medikamentenintoxikationen vorkommen, vor allem wenn Substanzen eingenommen werden, die am selben Organsystem, wie z.B. am Herzen, angreifen.
Die Ätzwirkung von Säuren und Laugen ist von ihrer Konzentration und Menge abhängig. Saure oder alkalische Produkte wie Entkalker oder Bleichmittel können nach Einnahme großer Mengen neben ihrer ätzenden auch systemische Wirkungen wie z. B. Azidose haben. Nach oraler Einnahme sind Magenspülung oder induziertes Erbrechen wegen der Perforationsgefahr absolut kontraindiziert. Neutralisation sollte wegen möglicher Gasbildung ebenfalls unterlassen werden, Aktivkohle ist unwirksam. Die Therapie besteht nach der vorsichtigen schluckweisen Einnahme von Wasser in der Gabe von Lokalanästhetika und in der Behandlung von Komplikationen wie Perforation oder Strikturenprophylaxe.
"Durch Petroldestillate entsteht eine weitere wichtige Gruppe von akuten Erkrankungen", so Hruby. Im Kindesalter ist die orale Einnahme von Lampenöl oder Duftpetroleum nicht selten, im Erwachsenenalter überwiegt das Schlucken von Benzin bei dem Versuch, durch einen Schlauch Benzin anzusaugen, um den Autotank nachzufüllen. Die größte Gefahr in diesen Fällen besteht in der chemischen Pneumonie, da diese Substanzen leicht tracheobronchial aspiriert werden. Die Therapie ist rein symptomatisch, Aktivkohle unwirksam. Höhere Destillationsprodukte wie z.B. Paraffinöl verursachen in der Regel keine Symptome.
Detergentien in Waschmitteln und Haushaltsreinigern wirken in erster Linie reizend auf den Magendarmtrakt und verursachen so Abdominalbeschwerden. Hruby: "Beim Erbrechen schäumender Mittel kommt es gerne zur trachealen Aspiration. Deswegen werden nach Einnahme solcher Mittel häufig entschäumende Medikamente wie zum Beispiel Dimeticon verabreicht."
Verwechslungen mit fatalen Folgen
Pflanzliche Vergiftungen sind relativ häufig. Gerne verwechselt wird der im Frühjahr wachsende Bärlauch mit Maiglöckchenblättern oder fatalerweise mit den Blättern der Herbstzeitlose, die das Mitosegift Colchizin enthält. Im Kindesalter kommt häufig eine Intoxikation mit Goldregensamen vor, da sie mit Erbsen verwechselt werden. Selten sieht man auch die Verwechslung von Speise-, und Blumenzwiebeln. Gefährlich sind pflanzliche Vergiftungen prinzipiell nur dann, wenn größere Mengen davon eingenommen werden, meist kommt es dann zu Dyspepsie und Brechdurchfall. Bei Pilzen ist immer eine Ingestion mit dem Knollenblätterpilz auszuschließen. Dieser Pilz beinhaltet Amanitin, das hepatotoxisch wirkt.
Typischerweise kommt es nach zehn bis zwölf Stunden zu Diarrhoen, bei fehlender oder zu später Behandlung kommt es unweigerlich zum Leberzellzerfall. Hruby: "Daher sollte auch bei Verdacht auf Einnahme von Knollenblätterpilz Aktivkohle (auch noch nach zehn bis zwölf Stunden) appliziert werden. Zusätzlich wird derzeit eine Therapie mit Legalon -in Österreich: Sibilin -versucht, das zellwandstabilisierend auf die Leberzellen wirken soll."
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