Im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung berichtete Univ. Doz. Dr. Wolfram Wicke, Primar der HNO-Abteilung des Kaiser Franz Josef-Krankenhauses in Wien über Tumoren im HNO-Bereich, deren epidemiologischen Veränderungen, Prinzipien der Primärprävention sowie über neue Trends in der Therapie.
*Zunahme bei HNO-Tumoren
In den letzten 60 Jahren konnte in allen zivilisierten Ländern eine starke Zunahme der HNO-Tumoren verzeichnet werden, wobei eine Tendenz in Richtung Stimmbandtumoren auffällt. Wicke erklärt diese steigende Tendenzrate unter anderem durch ätiologische Faktoren.
Zunehmender Nikotinabusus, potenziert durch die Wirkung von Alkohol, sind wie die Urbanisierung als Risikofaktoren anzusehen. So hat sich auch die Geschlechtsverteilung verschoben. Früher waren Männer zehnmal häufiger als Frauen betroffen, heute nur mehr fünfmal. In Österreich kommen auf 100.000 Einwohner derzeit 50 Neuerkrankungen, davon sind beachtliche 50 Prozent Kehlkopftumoren. Das Prädilektionsalter ist mit 55 bis 65 Jahren gleich geblieben. Gehäuft konnten multiple Karzinome der oberen Luft- und Speisewege beobachtet werden, wobei Wicke bei Zweitkarzinomen eine radiogene Ursache vermutet. Daher sollte bei einer Laryngoskopie immer der obere Ösophagus und die Trachea mitbeurteilt werden, betont Wicke.
Die Symptomatik von HNO-Tumoren ist, abhängig von der betroffenen Region, sehr unterschiedlich. Tumoren in der Mundhöhle fallen oft nur durch länger als 4 Wochen bestehende, nicht abheilende Ulzera mit geringer Symptomatik und daher später Diagnosestellung auf. Lokalisiert sind diese Tumoren vorwiegend zwischen dem Unterkiefer und der Zunge sowie auf der Tonsille. In Hinblick auf die schnelle und einfache Diagnosestellung dieser Tumoren sollte bei keiner Statuserhebung auf einen kurzen Blick in die Mundhöhle mit einem Spatel verzichtet werden.
Tumoren im Bereich des Rachens führen zu Fremdkörpergefühl, Räusperzwang sowie zu uncharakteristischen Schluckbeschwerden. Hier wird die Diagnose oft erst bei Auftreten von Halslymphomen gestellt. Tumoren am Stimmband führen durch eine Schwingungsstörung des Stimmbandes schon bei Stecknadelkopfgröße zu Heiserkeit - jede länger als drei Wochen bestehende Heiserkeit gehört daher unbedingt laryngoskopiert.
*Bestrahlung und Chemotherapie
Therapie der Wahl bei allen Neoplasien im HNO-Bereich ist die operative Entfernung des Tumors, wobei Bestrahlung und Chemotherapie immer mehr an Bedeutung gewinnen. Durch die oft sehr späte Diagnosestellung sind häufig weit fortgeschrittene Tumorstadien oder sogar Metastasen im Bereich des Halses vorhanden, Folge davon ist eine häufig sehr verstümmelnde Operation. Ziel ist es, schnelle Rehabilitation und geringe kosmetische sowie funktionelle Ausfälle zu erreichen. Muß eine Larynxtotaloperation durchgeführt werden, so wird dem Patienten ein Plastikventil zwischen Luftröhre und Ösophagus eingesetzt. Damit kann der Verlust der Sprache durch eine Ruptussprache ersetzt werden, bei dem der Patient Worte "hinaufrülpst". Bei Hemilaryngektomien wird versucht, nur ein Stimmband bzw. eine supraglottische Laryngektomie durchzuführen. "Diese schonenden Operationsmethoden bedingen zwar längere Rehabilitation, es wird aber die Funktion des Kehlkopfes und damit die Sprache erhalten. Wir haben als Vergleichszahl 1996 im Kaiser Franz Josef- Krankenhaus nur zwei totale und sechs Hemilaryngektomien durchgeführt. Vielversprechend erscheint mir eine Operationstechnik, bei der ein myokutaner Lappen, meist aus der Region des Musculus pectoralis major, entnommen wird und in den Bereich des oft sehr großen Operationssareals transplantiert wird. Dadurch erreichen wir eine gute Zungenbeweglichkeit sowie eine kosmetisch gute Lösung", erläutert Wicke.
Bei präoperativer Bestrahlung sowie Chemotherapie konnte bei kehlkopferhaltenden Operationstechniken die gleiche Überlebenschance, wie früher nur durch totale Laryngektomien möglich, erreicht werden.
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