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Halsmuskel ersetzt Zunge

15.05.2002

Zungenkrebs: Eine schwerwiegende Diagnose - und eine große Herausforderung für die restaurative Chirurgie. Aber auch durch Unfälle zerstörte Zungen müssen und können operativ rekonstruiert werden. Deutsche Mediziner haben ein mehrfach ausgezeichnetes Verfahren entwickelt, bei dem Halsmuskulatur die geschädigte Zunge ersetzt.

Die operative Rekonstruktion der durch Krebserkrankung oder Unfall zerstörten Zunge gehört zu den bemerkenswertesten chirurgischen Leistungen des Universitätsklinikums Lübeck. Prof. Dr. med. Stephan Remmert, kommissarischer Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, ist für die Entwicklung des Verfahrens, bei dem Halsmuskulatur in den Rachen verlegt wird, mehrfach ausgezeichnet worden.

Um den Patienten den Alltag mit der neuen Zunge weiter zu erleichtern, entwickeln die HNO-Spezialisten derzeit eine Art Schrittmacher für die Zunge. Mit elektrischen Impulsen soll die eingeschränkte Beweglichkeit des neuen Organs verbessert werden. Erste Ergebnisse ihrer Forschungen stellten die Lübecker jetzt beim Deutschen HNO-Kongress in Baden-Baden vor.

Die Zunge ist ein komplexes Organ, das eine entscheidende Rolle beim Schlucken und Sprechen spielt: Fünf Hirnnerven und 26 Muskelgruppen sind notwendig, damit der Mensch koordiniert essen und trinken und sich im Gespräch verständlich ausdrücken kann. Werden Zunge, Muskeln und Nerven in Folge einer Krebserkrankung oder eines Verkehrsunfall in Mitleidenschaft gezogen, drohen erhebliche Beeinträchtigungen. Bei fortgeschrittenen Tumoren muss die Zunge nicht selten vollständig entfernt werden (totale Glossektomie). Ohne funktionstüchtigen Ersatz kann sich der Patient dann nicht mehr selbständig ernähren.

In Lübeck werden als Zungentransplantat zwei Muskelstränge am Hals verwandt, die Kehlkopf und Schilddrüse bedecken. Bei dem komplizierten, bis zu 14 Stunden dauernden Eingriff wird zunächst der Unterkiefer aufgetrennt. Die beiden freigelegten Muskellappen werden nun von unten in den Mund gezogen und miteinander vernäht. Die noch fehlende Schleimhaut wird durch Haut vom Unterarm ersetzt.

Der Vorteil dieser Methode gegenüber herkömmlichen OP-Verfahren, bei denen Muskelpartien aus dem Brust- oder Rückenbereich eingepflanzt werden, liegt darin, dass keine Muskeln anderer Körperteile in den Mund implantiert werden müssen, sondern die im Halsbereich vorhandenen Stränge lediglich "verlegt" werden. Die Nerven und Blutgefäße brauchen nicht durchtrennt zu werden und bleiben erhalten. Somit kann die neue Zunge schneller und erfolgreicher ihre Arbeit aufnehmen als herkömmliche Transplantate.

© medizin.at

 

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