"Vor fünfzehn bis zwanzig Jahren glaubten wir, das Problem der Infektionskrankheiten besiegt zu haben. Heute wissen wir, daß das nicht der Fall ist", so umschrieb Prof. Dr. Hartmut Lode, Berlin, die immer häufiger auftretenden Antibiotikaresistenzen. Die Entwicklung neuer Strategien, um diesem Problem entgegenzuwirken, war daher zentrales Thema für über 3.000 Experten auf dem 2. europäischen Chemotherapie-Kongreß Anfang Mai 1998 in Hamburg.
Gezielter behandeln
Bei den im Krankenhaus erworbenen Infektionen, durch die besonders abwehrgeschwächte und ältere Patienten betroffen seien, handelt es sich vor allem um Lungen- und Harnwegsinfektionen sowie schwerste Infektionen nach Operationen. Die Entwicklung neuer Medikamente mit neuen Wirkmechanismen gehört zu den vorrangigen Aufgaben im Kampf gegen resistente Erreger.
Eine Möglichkeit sehen die Experten in der Stärkung der körpereigenen Abwehr beim Einsatz von Antibiotika. "Patienten müssen aber auch besser und gezielter behandelt werden, um mehr Antibiotika einzusparen", sagte Lode. Denn durch den falschen und zu häufigen Antibiotika-Einsatz werden die Resistenzen ebenfalls gefördert.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die wachsende Zahl älterer Menschen zu den Faktoren zählen, die die Arbeit der Gesundheits- und Sozialdienste im nächsten Jahrhundert am stärksten beeinflußt. Bei einem Wachstum der Gesamtbevölkerung von 1,7 Prozent in den Jahren 1990 bis 2000 wächst die Gruppe der Über 80jährigen um dreißig Prozent.
Bei Menschen über 65 Jahren kommt es durch Veränderungen der zellabhängigen und humoralen Immunität zu einer deutlichen Erhöhung der Anfälligkeit für Infektionen. Auch die erhöhte Frequenz zahlreicher chronischer Erkrankungen im Zusammenhang mit Infektionen und die Anwendung immunsuppressiver Medikamente sind mitverantwortlich für gehäufte Infektionen.
Neben der Zunahme der Zahl alter Menschen mit erhöhter Infektanfälligkeit nimmt auch die Zahl der Patienten mit Immunschwäche deutlich zu. Invasive Maßnahmen in der medizinischen Versorgung (z.B. Organ- und Gewebetransplantation) sind -neben der intensivierten Anwendung von Antibiotika und neuen Immunsuppressiva -weitere begünstigende Faktoren.
Die Mikroorganismen-spezifischen Adaptations- und Variationsmöglichkeiten bedingen unter anderem Änderungen der Virulenz und der Toxinbildung. Daher können sich Antibiotikaresistenzen entwickeln, die tendenziös bereits bei Problemkeimen zu sehen sind. Umso wichtiger ist es, so meinen die Experten, Antibiotika zu entwickeln, die für die wachsende Zahl von Risikopatienten mit erhöhter Infektionsgefährdung zur Verfügung stehen.
Doppelter thera- peutischer Ansatz
Das Ziel ist insbesondere die Wiederherstellung und/oder Steigerung der körpereigenen Abwehr gegenüber der Pathogenität von bakteriellen Erregern. Diese Maßnahmen umfassen auch die Verwendung von Immunmodulatoren (z.B. G-CSF bei neutropenischen Patienten) und Überlegungen zur Gentherapie. Eine bereits existierende Möglichkeit ist es, die Stärkung der körpereigenen Abwehr mit dem Einsatz von Antibiotika zu verbinden. So basieren viele Hoffnungen in der antibakteriellen Therapie auf der möglichen Verwendung eines doppelten therapeutischen Ansatzes, d.h. antibakterielle plus immununterstützende Wirkung.
Verschiedene Antibiotika können nun direkt mit dem Immunsystem in Wechselwirkung treten, wobei als wesentlicher Effektormechanismus eines intakten Immunsystems in erster Linie die intakte Phagozytenfunktion in Betracht kommt. Ein solches innovatives Antibiotikum ist Cefodizim (Timecef(r)). Es handelt sich dabei um ein Cephalosporin der dritten Generation, dessen ausgeprägt fördernde Wirkungen auf das Immunsystem bereits in einigen prospektiven randomisierten Studien gezeigt wurde. Cefodizim steigert insbesondere die Phagozytose von Makrophagen und Granulozyten, was im weiteren Gefolge der Immunkaskade zu einer verstärkten
Lymphozytenproliferation und Antikörperbildung gegenüber infektiösen Agentien führt. Sein positiver Einfluß auf die Immunabwehr wurde nicht nur bei Immungeschwächten, sondern auch bei Gesunden beobachtet.
"In Vergleichsstudien mit anderen Cephalosporinen stellte das Medikament innerhalb von drei bis fünf Tagen die normale Phagozytenfunktion wieder her, klinisch wurde im Vergleich zu Cefuroxim eine schnellere Entfieberung sowie ein günstigeres Ergebnis der perioperativen Antibiotikaprophylaxe dokumentiert", erklärte Prof. DDr. Wolfgang Graninger, Leiter der klinischen Abteilung für Infektionen und Chemotherapie, AKH Wien.
Erstmalig ist es gelungen, eine Beeinflussung der Neutrophilenaktivität auch in vivo nachzuweisen. Aus der in klinischen Studien beobachteten guten und schnellen klinischen Wirksamkeit, der sehr guten Verträglichkeit und dem einfachen Dosierungsschema mit der Möglichkeit einer täglichen Einmaldosierung leitet sich der hohe therapeutische Stellenwert von Cefodizim ab. "Das Aktibiotikum´ Cefodizim", so Graninger, "stellt damit ein vollkommen neues Behandlungskonzept dar."
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