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Aufklärungsformular ist kein Ersatz für Gespräch

07.10.1999

Was schreibt das Gesetz zur ärztlichen Aufklärungspflicht vor?

KOPETZKI: Was die ärztliche Aufklärungspflicht betrifft, so gibt es derzeit keine ausdrückliche gesetzliche Regelung mit umfassendem Geltungsanspruch. Für Sonderbereiche wie zum Beispiel die Fortpflanzungsmedizin, die Psychiatrie oder die klinische Arzneimittelprüfung bestehen dagegen spezielle Bestimmungen. In allen übrigen Fällen leitet man die ärztliche Aufklärungspflicht lediglich aus dem zivilrechtlichen und strafrechtlichen Rechtsgüterschutz ab, mit der Begründung: Die Einwilligung des Patienten, die bei jeder Heilbehandlung erforderlich ist, kann nur unter der Voraussetzung rechtserheblich sein, daß der Patient weiß, worin er einwilligt.

Die ärztliche Aufklärungspflicht ist also gesetzlich über weite Strecken nicht explizit verankert, mittelbar aber sehr wohl ableitbar. Sie zählt sogar zu den zentralen Rechtspflichten des Arztes. Im Regelfall spricht man von der sogenannten Selbstbestimmungsaufklärung. Zu unterscheiden ist davon die therapeutische Aufklärung, wo die Aufklärung selber ein Element der Heilbehandlung ist. Beispiel: Aufklärung über bestimmte Nebenwirkungen eines Medikamentes oder über bestimmte Verhaltensweisen, die eingehalten werden müssen, Stichwort: Fahruntauglichkeit.

Zur Selbstbestimmungs- aufklärung. Worüber muß der Arzt den Patienten aufklären?

KOPETZKI: Hier ist ein sehr weites Feld zu nennen. Grundsätzlich ist sowohl über die Diagnose als auch über den Behandlungsverlauf, über die einzelnen Behandlungsschritte, das Behandlungsziel und die Risiken bzw. Nebenwirkungen aufzuklären - unabhängig davon, um was für eine Behandlung es sich handelt. Sei es ein körperlich-chirurgischer Eingriff oder eine rein medikamentöse Behandlung. Gerne wird übersehen, daß der Arzt den Patienten auch über Behandlungsalternativen informieren muß, beispielsweise eine konservative Behandlung anstelle einer chirurgischen. Die Entscheidung soll beim Patienten liegen: Will ich die eine oder die andere Behandlungstechnik?

Gibt es auch Ausnahme- fälle, wo der Arzt von der Aufklärungspflicht entbunden ist?

KOPETZKI: Explizite Ausnahmen für die Aufklärungspflicht sieht das Gesetz im Grunde nur in der Psy-chiatrie vor. Bei untergebrachten psychiatrischen Patienten gilt, daß die Aufklärung nur soweit zu gehen hat, daß sie dem Wohl des Patienten nicht widerspricht. Man spricht hier gerne vom therapeutischen Privileg des Arztes. Inwieweit diese Regelung aus dem Unterbringungsgesetz auch für den nichtpsychiatrischen Bereich gelten darf, ist unter Juristen umstritten. Der Oberste Gerichtshof erkennt das therapeutische Privileg des Arztes weitgehend an und sagt: Im Konfliktfall ist das Wohl des Patienten über seine Aufklärung zu stellen.

Wie hat die Selbst- bestimmungsaufklärung zu erfolgen?

KOPETZKI: Der Oberste Gerichtshof hat einige Richtlinien aufgestellt, eine zentrale lautet: Je dringlicher die Behandlung ist, desto geringer fällt die Aufklärungspflicht aus. Beispiel: Notfall. Umgekehrt gilt: Je weniger dringlich oder je weniger medizinisch indiziert die Behandlung ist, desto schärfer ist die Aufklärungspflicht. Beispiel: kosmetische Behandlung.

Über welche Risiken muß aufgeklärt werden?

KOPETZKI: Hier ist die Antwort der Rechtsprechung: Es muß über typische Risiken aufgeklärt werden, z.B. Operationsrisiken - allerdings unabhängig von der Frage ihrer statistischen Wahrscheinlichkeit. Der Oberste Gerichtshof hat insofern eine gewisse Einschränkung vorgenommen, als er sagt: Über Risiken, die normalerweise für einen Menschen nicht entscheidungserheblich sind, muß der Arzt nicht mehr aufklären.

Welche Bestimmungen gelten für den Zeitpunkt der Aufklärung?

KOPETZKI: Grundsätzlich gilt, daß Aufklärung rechtzeitig stattfinden muß, damit der Patient noch ausreichend Zeit hat für eine entsprechende selbstbestimmte Überlegung. Wie lang das ist, hängt im Einzelfall von der Art der Behandlung ab. Bei einem komplexen Eingriff, wo es viele Alternativen gibt, kann die Dauer mehrere Tage betragen. Bei einer kleinen Maßnahme kann es genügen, den Patienten unmittelbar vorher zu informieren.

Wer ist aufzuklären?

KOPETZKI: Der Patient. Mit der Einschränkung, daß in den Fällen, wo eine eine andere Person rechtlich entscheidungsbefugt ist - also bei handlungsunfähigen oder minderjährigen Patienten der gesetzliche Vertreter, bei Patienten mit Sachwalter unter bestimmten Voraussetzungen eben der Sachwalter - diese Person aufzuklären ist. Hier besteht dann auch kein Schweigepflichtproblem, denn in dem Maße, in dem ein Sorgerecht besteht, verschieben sich die Informationsrechte auf den Sorgepflichtigen.

Wie hat die Aufklärung bei komplexen Sachverhalten zu erfolgen, damit der Patient nicht überfordert ist?

KOPETZKI: Die grundlegende Regel lautet: Die Aufklärung muß so erfolgen, daß der Patient sie versteht. D.h., der Arzt muß auf den Verständnishorizont, das Vorwissen, die Sprachgewandtheit, die Auffassungsgabe des Patienten Rücksicht nehmen und die Botschaft so verpacken, daß der Patient sie versteht und er eine Grundlage für seine Entscheidung bekommt.

Was tun im Fall von Patienten, die nicht Deutsch verstehen?

KOPETZKI: Hier gibt im Grunde eine ganz eindeutige rechtliche Antwort: Strenggenommen müßte der jeweils Behandelnde oder der Anstaltsträger dafür Sorge tragen, daß durch entsprechende Mittel oder Dolmetscher die Aufklärung in einer dem Patienten verständlichen Sprache erfolgen kann. Mir ist natürlich klar, daß das gerade bei kleineren Krankenhausträgern an Grenzen der Realisierbarkeit stößt.

Hat der Arzt zu dokumentieren, daß er seine Aufklärungspflicht erfüllt hat?

KOPETZKI: Nach der jetzigen Juridikatur muß nicht der Patient beweisen, daß er nicht aufgeklärt wurde, sondern der Arzt ist beweispflichtig. Eine sinnvolle Strategie, das zu tun, ist, die Aufklärung zu dokumentieren. Es ist mittlerweile auch im Gesetz verankert, daß die Dokumentationspflicht sich auch auf die Aufklärung bezieht. Und in dem Moment, wo diese Dokumentation ordnungsgemäß gemacht ist, nimmt man bis zum Beweis des Gegenteils an, daß das Dokumentierte auch der Wahrheit entspricht.

Was allerdings oft übersehen wird: Die Aufklärung hat an sich immer ein persönliches Gespräch mit dem Patienten zu sein, in dessen Verlauf sich der Arzt auch versichern kann: was will der Patient wissen, was will er vielleicht nicht wissen? Was der Patient nicht wissen will, das muß ihm auch nicht aufgezwungen werden. Juristisch formuliert: Es gibt die Möglichkeit eines Aufklärungsverzichtes - wenn etwa ein Patient sagt: Machen Sie, was Sie meinen, ich will gar keine Details wissen. Das Aufklärungsformular, das allerorten gang und gäbe ist, ist zwar sicher ein wichtiges Beweismittel, es ersetzt aber nicht das Aufklärungsgespräch.

Was droht dem Arzt, der seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist?

KOPETZKI: Im Fall eines Gerichtsverfahrens, wenn ein Schaden passiert ist, droht dem Arzt, daß ein Aufklärungsmangel dazu führt, daß die Einwilligung des Patienten nicht gültig ist und der Arzt für Schäden zivilrechtlich haften muß. Auch wenn der Arzt lege artis handelt, kann ihn in diesem Fall trotzdem eine zivilrechtliche Haftung treffen.

© medizin.at / ÄRZTEWOCHE

 

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