Ein wesentliches Ziel in der Therapie bösartiger Knochen- und Weichteiltumoren, ist die Erhaltung der betroffenen Extremität. Durch den kombinierten Einsatz von Chemotherapie und Strahlentherapie und durch die Zusammenarbeit verschiedenster chirurgischer Disziplinen mit der orthopädischen Chirurgie können heute bei fast allen Extremitätentumoren Amputationen vermieden werden.
Uncharakteristische Klinik
In den letzten zwei Jahrzehnten wurden die therapeutischen Optionen bei der Behandlung von Knochen- und Weichteiltumoren wesentlich verbessert. Durch den Einsatz der Chemotherapie und die präoperative Strahlentherapie kommt es z.B. beim Ewingsarkom in der Regel zu einer deutlichen Tumorverkleinerung. Dadurch konnten viele chirurgische Therapiekonzepte entwickelt werden, die eine Extremitätenerhaltung bei guter Funktion ermöglichen.
"Tumore des Skeletts kommen im Vergleich zu Geschwülsten anderer Lokalisationen selten vor", betont Prof. Dr. Peter Ritschl von der 1. Orthopädischen Abteilung am Krankenhaus Gersthof in Wien. "Man unterscheidet tumorsimulierende, benigne und maligne Läsionen. Tumorsimulierende Erkrankungen sowie langsam wachsende benigne Tumore sind nicht selten Zufallsbefunde. Die klinischen Symptome sind sowohl bei benignen, als auch bei malignen Tumoren unspezifisch." Die Patienten, so Ritschl, klagen in erster Linie über uncharakteristische Schmerzen. Zusätzlich könne eine Schwellung einen weiteren wesentlichen Hinweis für das Vorliegen eines Tumors geben. Häufig wird aufgrund des oft jugendlichen Alters der Patienten primär eine posttraumatische Veränderung angenommen und auch dahingehend behandelt. Bei Persistenz oder bei nur kurzfristiger Besserung ist allerdings die diagnostische Abklärung durch ein Röntgenbild unerläßlich.
Probebiopsie
"Trotz subtilster radiologischer Primärdiagnostik ist anfänglich in den meisten Fällen nur eine Verdachtsdiagnose zu stellen", räumt Ritschl ein. Eine definitive Diagnose sei in der Mehrzahl der Fälle erst durch eine histologische Untersuchung im Rahmen einer Probebiopsie möglich. Dabei ist zu beachten, daß der Biopsietrakt möglichst klein gehalten werden sollte, um eine Verschleppung von Tumorzellen zu vermeiden.
Muß der Tumor chirurgisch saniert werden, so kann dies intraläsional, marginal, weit und radikal erfolgen. Benigne, sowie tumorsimulierende Knochenläsionen werden zumeist intraläsional reseziert (früher: kürettiert). Nach kompletter Excochleation wird die Knochenhöhle gefräst und mit Phenol behandelt. Durch Phenol können noch mikroskopisch kleine Tumorzellnester erfaßt und nekrotisiert werden. Die Rekonstruktion dieser Knochenhöhlen erfolgt heute üblicherweise mit homologer Spongiosa (Spongiosachips) mit Fibrinklebung. Dadurch läßt sich nahezu in allen Fällen eine Restitutio ad integrum herstellen.
"Bei malignen Knochen- und Weichteiltumoren erfolgt heute üblicherweise eine weite Resektion", erklärt der Experte. "Darunter versteht man, daß der Knochen- oder Weichteiltumor mit einer 1-3 cm dicken Schicht gesunden Gewebes entfernt wird."
Radikale Resektion schließlich bedeutet die Entfernung des gesamten tumortragenden Kompartments, z.B. die Entfernung jenes gesamten Knochens, von dem der Tumor seinen Ausgang genommen hat.
Baukastensysteme zur Rekonstruktion
Für die Rekonstruktion der gesetzten Knochendefekte werden biologische Methoden, wie Resektions- und Replantationsoperationen, Umkehrplastiken, gefäßgestielte Knocheninterpositions-Plastiken oder Kallusdistraktionen beziehungsweise der endoprothetische Ersatz verwendet. Sowohl für die obere, als auch für die untere Extremität, so Ritschl, gibt es Baukastensysteme von Tumorendoprothesen, mit denen große Defekte der Extremität endoprothetisch ersetzt werden können. Die jederzeitige Verfügbarkeit dieser Prothesen hat auch bei pathologischen Frakturen, etwa bei Metastasenpatienten, große Vorteile in der Sofortversorgung gebracht. Beim noch wachsenden Skelett ist der Einsatz von Wachstumsprothesen, deren Entwicklung von der orthopädischen Univ. Klinik Wien ausgeht, eine gute Möglichkeit, Beinlängendifferenzen auszugleichen. In nahezu fast allen Fällen können heute Extremitäten-erhaltende Operationen bei Knochen- und Weichteiltumoren ausgeführt werden. "Den ersten, wichtigen Schritt in diese Richtung setzt dabei der praktische Arzt", betont Ritschl. Entscheidend sei es, auch bei diesen seltenen Krankheiten rechtzeitig die Erstdiagnostik einzuleiten.
"Nachdem Knochen- und Weichteiltumore in jedem Lebensalter vorkommen, sollte man bei Patienten mit unklarem klinischen Bild oder bei therapieresistenten Schmerzzuständen ein Röntgenbild veranlassen. Je früher der Tumor entdeckt wird, desto einfacher sind in der Regel die rekonstruktiven Methoden zur Wiederherstellung der vollen Funktion der Extremität."
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