Oberflächlichkeit kennzeichnet das Wissen vieler Menschen um Gesundheitsvorsorge, berichtet Elfriede Haller, verantwortlich für die Organisation beim Verein für Vorsorge- und Sozialmedizin (VVS) in Oberösterreich. Zahlreiche Anrufer im VVS wüßten zwar, "daß sie nicht soviel Fett essen sollten".
Auf die Fragen, in welchen Nahrungsmitteln denn viel Fett enthalten sei oder welche Zutaten eher zu meiden seien, muß dann allerdings die Mehrzahl passen. Außerdem wisse kaum jemand, so Haller, woher sie oder er verläßliche Antworten auf konkrete Fragen bekommen kann. Dabei gibt es in den meisten Bundesländern Institutionen wie den Herzfonds, die Krebshilfe und diverse Selbsthilfeorganisationen, die Folder und Broschüren über gesunden Lebensstil an jeden Haushalt senden. Offensichtlich werden diese Informationen aber meist nicht wahrgenommen.
Widersprechende Tips
Aus Patientensicht erschwerend sind die einander oft widersprechenden Ratschläge für einen "gesunden" Lebensstil in diversen Gesundheitsmedien oder von selbsternannten "Experten". "Der Arzt sollte jene Person sein, bei der ein Patient seine Fragen und Unsicherheiten deponieren kann", meint Dr. Wolfgang Marks, Arzt für Allgemeinmedizin in Linz und Referent für Vorsorgemedizin der oberösterreichischen Ärztekammer. "Der Arzt kann durch sein Fachwissen und seine Erfahrung bei der Gewichtung von Information und einer Analyse der Quellen helfen."
"Viele Menschen suchen geradezu krampfhaft nach strittigen Details, verzetteln sich darin und vergessen dabei auf die letztlich leicht zu realisierenden ersten Schritte", resümiert Marks aus seiner Praxiserfahrung. So sei es besipielsweise nicht entscheidend, wie oft pro Woche Fisch konsumiert werde, sondern daß der Patient dessen Bedeutung im Rahmen einer bewußten und ausgewogenen Ernährung verstehe. Auch das Zählen von Kalorien sowie der Mengen an Kohlehydraten, Fett und Eiweiß werde oft überbewertet.
"Es gibt klare grundsätzliche Ratschläge, die gemeinsam mit dem Patienten auf dessen konkrete Situation abgestimmt werden können", ist der Allgemeinmediziner überzeugt. Dieser Ansatz bringe auch eine gewisse Entlastung für den Arzt: er müsse nicht Experte zu jeder erdenklichen Frage bezüglich Ernährung, Bewegung oder Streß sein.
Voll und ganz dem Patienten widmen
Gegenwärtig gesteht Marks der Vorsorgeuntersuchung den höchsten Stellenwert in der Lebensstilmedizin zu: "Sie ist eine der wenigen zeit- und aufwandsgerechten Leistungen der Krankenkasse: Es ist möglich, einem Patienten eine halbe Stunde zu widmen." Diese Zeit sei quasi ein Einstieg in die individuell abgestimmte, von beiden Seiten mitgetragene Lebensstilmedizin.
Bei dieser Untersuchung sollte sich der Praktiker voll und ganz dem Patienten widmen und nicht nebenbei, etwa während das EKG geschrieben wird, im Nebenraum schnell zwei andere Patienten behandeln. Dieses Gespräch, aufbauend auf den vom Patienten beantworteten stan-dardisierten Fragen, sei ein wesentlicher Motivationsfaktor.
Umsetzbarkeit im Alltag ist entscheidend
Auch Dr. Franz Schramm, Gemeindearzt in Traun, ist vom Konzept der Vorsorgeuntersuchung überzeugt: "Dafür kann ich mir bewußt Zeit nehmen, auch außerhalb der normalen Ordinationstermine." Auch Laborbefunde sollten besprochen werden. "Das erfordert nur wenig Zeit", betont Schramm. Jemandem nur die Ausdrucke oder eine Broschüre in die Hand zu geben, sei eher demotivierend.
Die ärztlichen Ratschläge sollten dem Patienten "fast wie ein Rezept aufgeschrieben werden", schlägt Marks vor. Kernpunkt dabei sei deren Umsetzbarkeit im Alltag. So sei beispielsweise bei einem Übergewichtigen abzuwägen, ob nicht forciertes Gehen sinnvoller wäre als ein umfassendes Lauftraining. Generelle Empfehlungen "Nehmen Sie sich Zeit zum Laufen" oder "Gehen Sie öfters schwimmen" hält der Allgemeinmediziner für verfehlt.
Lebensstilmedizin fällt nur dann auf fruchtbaren Boden, wenn sich der Arzt zuerst gewisser Grundkenntnisse des Patienten vergewissert und diese -falls erforderlich -vermittelt. Beispiele dafür sind die Wertigkeit von Risikofaktoren oder welche Bedeutung dem Trainingspuls zukommt. Auch das Verständnis darüber, was als Trainingserfolg gewertet werden kann, gehört dazu. Marks: "Auf der Basis solcher Informationen können gemeinsam konkrete Maßnahmen entwickelt und festgelegt werden. Dann erlebt der Patient die Änderungen des Lebensstils als mitbestimmt und damit nicht so einschneidend." In jedem Fall sollte bei allen vorgeschlagenen Verhaltensänderungen die Freude am Leben im Vordergrund bleiben.
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