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Dioskurides, Galen und die mittelalterliche armenische Pharmazie

07.10.1999

Dioskurides, Militärarzt unter Claudius und Nero im 1. Jh.n.Chr., hinterließ wertvolle Aufzeichnungen über Pflanzen und deren therapeutische Wirkung. Der Meerzwiebel beispielsweise schrieb er die Fähigkeit zur Wundheilung, Entzündungshemmung und Darmreinigung zu.

Diese wie auch die Erkenntnisse der nachfolgenden Jahrhunderte beeinflußten unter anderem die armenische Medizin und Pharmazie, stellte die Ärztin Prof. Dr. Stella A. Vardanjan von der armenischen Universität Eriwan bei einem Vortrag in Wien einleitend fest. Veranstalter waren das Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Univ. Wien und die Österreichische Byzantinische Gesellschaft.

"Die mittelalterliche armenische Pharmazie wurde in ihren verschiedenen Entwicklungsstufen seit dem 5. Jahrhundert von der antiken Medizin beeinflußt", so Vardanjan. "Zahlreiche Armenier studierten in Alexandria und anderen antiken Zentren. Neben Platon und Aristoteles spielten dabei Dioskurides' 'Materia medica' sowie die Werke Galens, des Leibarztes Marc Aurels, eine entscheidende Rolle."

Vardanjan arbeitet in Eriwan sowohl am Medizinischen Institut wie auch am Institut für alte Handschriften. Die Verbindung zu Wien kam durch den Orden der Mechitaristen zustande, in deren Bibliothek bereits 1926 medizinische und pharmazeutische Texte in Alt-Armenisch vorlagen.

Die Onkologin interessiert sich besonders für toxische Wirkungen moderner Therapien auf diesem Gebiet. "In Armenien befassen wir uns deshalb besonders intensiv mit Pharmazeutika, die auf Heilkräutern, Heilpflanzen, aber auch Präparaten anorganischer Natur basieren", sagte die Medizinerin. Dieser Ansatz baut auf einer alten Tradition auf, z.B. der Verwendung verschiedener Erden, speziell der berühmten "Bolus Armena". Diese rote Erde wurde in Salben gegen Ekzeme eingesetzt.

Ebenfalls ein wichtiger Bestandteil armenischer Pharmazie sind Halbedelsteine wie der Lasurit, der direkt am Körper getragen wird. Ihm wird eine Wirkung bei Migräne und Kopfschmerzen verschiedener Genese zugesprochen. "Aus vielen Naturprodukten, wie Perlen, wird auch Pulver pharmazeutisch erzeugt, das wir gegen Glaukom und Katarakt lokal einsetzen", führte Vardanjan aus. "Korallen verwendet die armenische Medizin in Form von Amuletten gegen Hautleiden."

Die berühmte armenische Erde war bis ins 19. Jahrhundert gerade in Europa offiziell anerkannt. "Wir bemerken jetzt, daß sie von der Medizin erneut zunehmend verwendet wird", so Vardanjan.

Überhaupt bestätigten neue Erkenntnisse der Pharmazie und Medizin oft die Ergebnisse der alten Kulturen. Zu den ebenfalls anerkannten und geschätzten Naturstoffen zählt die Aloe, die bereits in Texten des 15. Jahrhunderts Erwähnung findet.

Eine bei uns unbekannte, nach Ansicht der alten Medizin in Armenien aber wirksame Substanz ist Hasenlab, die sogar gegen Krebs eingesetzt wurde. "Dieses Ferment wird aus dem Hasenmagen gewonnen", so Vardanjan, "es soll unter anderem anti-epileptische und blutungshemmende Eigenschaften haben." Auch dieses Wissen basiert auf antiken Überlieferungen nach Dioskurides.

Viele der antiken Rezepturen wurden vom größten armenischen Wissenschaftler des 15. Jahrhunderts, Amirdovlat, in seinem "Nutzlosen Buch für Unwissende" aufgezeichnet. Einige davon haben in die Homöopathie Eingang gefunden, wie etwa Erysimum officinale, die Wegraute. In Westeuropa wird die herzstärkende Wirkung der Pflanze mit ihrem vermutlich digitalisähnlichen Glykosid medizinisch allerdings nicht genutzt. Hauptgrund dafür dürften die Nebenwirkungen bei Überdosierung sein.

© medizin.at / ÄRZTEWOCHE

 

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