An der Jahrtausendwende will sich die "Gesellschaft der Ärzte" in Wien als Bastion gegen die Zersplitterung medizinischen Wissens profilieren. Ihre ureigensten Bereiche, Veranstaltungen und Bibliothek, sollten in ein neues Medium transferiert werden.
"Über das Internet wollen wir unser vielfältiges Angebot nutzbar machen", berichtet Mag. Manfred Gschwandtner, Online-Beauftragter der Gesellschaft. "Wenn die Zuhörer bzw. Leser nicht mehr zu uns kommen, müs- sen eben wir auf sie zugehen."
Zu den rund 1.300 Mitgliedern der Gesellschaft zählen traditionsgemäß viele Universitätsprofessoren. "Die Online-Dienste machen unser Angebot auch für die niedergelassenen Ärzte interessant", hofft Gschwandtner. Das Internet sei das ideale Medium für Landärzte, die täglich mit dem Problem der Informationsbeschaffung konfrontiert sind.
Für den Präsidenten, em. Prof. Dr. Wilhelm Holczabek, fungiert die "Gesellschaft der Ärzte" als "überregionaler Ort des Gedankenaustausches im Sinne der Wissenschaft" ebenso wie zur Pflege des "freundschaftlichen, kollegialen Verhältnisses unter den Ärzten".
Das Internet als Existenzgrundlage
Die "Gesellschaft der Ärzte" hat sich für das Informationszeitalter fit machen müssen
Das Billroth-Haus in der Wiener Frankgasse ist umgeben von der Aura einer reichen und ehrwürdigen Tradition. Seit 1893 ist dort die "Gesellschaft der Ärzte" untergebracht - ein wissenschaftlicher Verein, der bedeutende heimische Forscherpersönlichkeiten zusammenbrachte und zum Gedankenaustausch anregte.
Neben der Funktion als Veranstaltungsort hat die Gesellschaft seit jeher auch als wissenschaftliche Bibliothek fungiert. Von Tradition allein kann Wiens älteste medizinische Gesellschaft heute freilich nicht mehr leben. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Studenten regelmäßig die Frankgasse aufsuchten. Die heutigen Jungärzte sind im AKH "aufgewachsen" und haben gewöhnlich keine Beziehung zum Billroth-Haus.
"Überalterung"
Die einstmals größte medizinische Bibliothek in Wien erhielt in den 90er Jahren durch die Zentralbibliothek am Wiener AKH massive Konkurrenz. Diese war mit einem wesentlich besseren Budget ausgestattet und besaß außerdem den Standortvorteil der Universitätskliniken. Durch die Abwanderung vieler Leser geriet der traditionsreiche Verein zunehmend ins Abseits. Die Tendenz der "Überalterung" schürte die Angst, in Vergessenheit zu geraten.
"Auf den Leser zugehen"
Umfassende Modernisierung schien die einzige Möglichkeit, die Existenzgrundlage der Gesellschaft zu sichern. Deren ureigenste Bereiche - Veranstaltungen und Bibliothek - sollten in ein neues Medium transferiert werden. "Über das Internet wollen wir das vielfältige Angebot nun nutzbar machen", berichtet Mag. Manfred Gschwandtner, Online-Beauftragter der Gesellschaft. "Wenn die Zuhörer bzw. Leser nicht mehr zu uns kommen, müssen eben wir auf sie zugehen."
Die wöchentlichen Vorträge werden heute live ins Internet übertragen, wo sie mittels "Streaming"-Technik schnell abrufbar sind. Die Standbilder (samt Ton) sollen in Zukunft durch echte Videoübertragungen ersetzt werden. Multi-Media-Datenbanken könnten bald gezielte Suchmechanismen für die Recherche in den Videos bereithalten. Digitalisierungsprojekte widmen sich heute der elektronischen Aufbereitung historisch bedeutsamer Zeitschriftenbestände, um sie im Internet zugänglich zu machen.
Ideales Medium für Landärzte
Aber auch angekaufte Informationen werden den Mitgliedern angeboten: Die Gesellschaft stellt den Zugang zu medizinischen Datenbanken und elektronischen Journalen zur Verfügung. Bei renommierten Zeitschriften wie etwa "Nature" oder dem "New England Journal of Medicine" gilt dabei jedoch das Bibliotheksmodell, d.h. es wird nur nur eine beschränkte Anzahl von "Usern" zugelassen. Entsprechend der Nachfrage liegen immer weniger Zeitschriften vor Ort auf.
Die Bibliothek hat sich in den letzten Jahren zunehmend zu einer Service-Einrichtung entwickelt, die Volltext-Literatursuche in in- und ausländischen Publikationen durchführt. Letztlich wird den Mitgliedern ein Internetzugang angeboten, der die Datenbestände der Gesellschaft von zuhause aus greifbar macht. Wahlknoten für den Provider befinden sich derzeit allerdings nur in Wien und Linz.
Zu den rund 1.300 Mitgliedern der Gesellschaft zählen traditionsgemäß viele Universitätsprofessoren. "Die Online-Dienste machen unser Angebot auch für die niedergelassenen Ärzte interessant", hofft Gschwandtner. Das Internet sei das ideale Medium für Landärzte, die täglich mit dem Problem der Informationsbeschaffung konfrontiert sind. Aufgabe der Zukunft ist jedenfalls die attraktive Präsentation im weltweiten Netz: Dynamische Homepages sollen bewirken, daß die Ärzte das Angebot der Gesellschaft auch weiterhin nutzen werden.
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