Krebs: Thrombose als Komplikation oder mögliches Warnsignal
Thrombosen stellen bei Tumorpatienten nicht nur eine häufige Komplikation dar, sondern können besonders bei älteren Menschen das erste Anzeichen für eine Krebserkrankung sein, denn es zeigt sich: Patienten, die wegen einer Venenthrombose stationär behandelt wurden, haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein 4-fach erhöhtes Risiko für eine Krebsdiagnose im folgenden Jahr.
"Eine plötzlich auftretende Thrombose könnte somit ein Warnsignal für eine bislang unerkannte Tumorerkrankung sein", bringt Univ.Prof. Dr. Ingrid Pabinger, Leiterin der Gerinnungsambulanz am Wiener AKH, die Ergebnisse einer retrospektiven Auswertung der Krankengeschichten von 62.000 schwedischen PatientInnenen(1) auf den Punkt.
Auffallend hoch ist das Risiko für urogenitale und gynäkologische Karzinome: So wurde zum Beispiel ein Ovarialkarzinom(2) bei Thrombosepatientinnen 11-mal häufiger diagnostiziert als bei Frauen ohne thrombo-embolische Erkrankung. "Thrombosen begünstigen sogar die Entstehung von Malignomen und sind Indikatoren für besonders aggressive Krebserkrankungen", warnt Pabinger.
Menschen, die an einer Krebserkrankung leiden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entstehung gefährlicher Blutgerinnsel. Pabinger dazu: "Im klinischen Alltag müssen wir etwa bei 15 Prozent aller Krebspatienten mit thrombo-embolischen Komplikationen rechnen. Bei bestimmten bösartigen Tumorerkrankungen, wie etwa bei Hirntumoren und Bauchspeicheldrüsenkrebs, ist das Risiko sogar doppelt so hoch", betont Pabinger. Das Gefährliche daran: Die Blutgerinnsel werden mit dem Blutstrom zu lebenswichtigen Organen geschwemmt. Häufig setzen sie sich in den Lungenarterien fest - es kommt zur Lungenembolie (Lungeninfarkt).
Thrombosen werden durch drei bedeutende Faktoren (Virchow'sche Trias) verursacht: Veränderung der Gefäßwand, Verlangsamung des Blutflusses und Veränderung der Zusammensetzung des Blutes. "All diese Faktoren wirken bei Krebspatienten genauso zusammen wie bei anderen Kranken, werden aber durch zusätzliche Vorgänge noch verstärkt: Die Gefäßwand wird einerseits durch die aggressiven Medikamente (Zytostatika und Chemotherapie), andererseits durch den Tumor selbst geschädigt, der in die Blutgefäße einwächst.
Zur Verlangsamung der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes trägt die meist lange Bettlägrigkeit sowie das wachsende Krebsgeschwür bei, das auf die Venen drückt. Die Blutzusammensetzung wird durch die erhöhte Konzentration von gerinnungsaktiven Substanzen beeinflusst, da der Körper den Tumor als innere Wunde ortet und den Blutgerinnungsprozess in Gang setzt", erklärt Univ.Prof. Dr. Christine Mannhalter, Vorsitzende der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung. "Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass der Tumor versucht, sich durch die Blutverdickung gleichsam vor dem körpereigenen Abwehrsystem zu schützen."
Thrombose ist eine sehr häufige Komplikation bei Karzinomerkrankungen. Bei diesen Patienten muss daher das Thromboserisiko genau kalkuliert werden, damit sie in Risikosituationen, wie Operationen oder längerer Bettlägrigkeit, eine entsprechende Prophylaxe erhalten. In jedem Fall müssen Tumorpatienten als Hochrisikogruppe angesehen werden.
Pabinger: "Niedermolekulare Heparine haben sich als sehr sicher und wirksam in der Prophylaxe und Therapie von thrombo-embolischen Ereignissen bei Krebspatienten herausgestellt." Im Vergleich zu anderen Heparinen sind die niedermolekularen Heparine (NMH) in der Lage, bei Krebspatienten nach tiefen Beinvenenthrombosen die Sterblichkeit um die Hälfte zu reduzieren. Auch in der Prophylaxe während und nach chirurgischen Eingriffen konnte das Risiko mit Hilfe der NMH um 60 Prozent verringert werden(3).
Genau analysiert wurde der Einfluss niedermolekularer Heparine auf die Überlebenschancen bei Tumorerkrankungen durch zwei aktuelle Studien, die kürzlich bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung vorgestellt wurden.
An der ersten Studie(4) nahmen 382 PatientInnenen mit Brust-, Darm-, Eierstock- und Bauchspeicheldrüsenkrebs teil. Die meisten von ihnen hatten bereits Metastasen. Im Vergleich zu Plazebo stellten sich dabei bei bestimmten Patientengruppen Überlebensvorteile für die Dalteparin(5)-Gruppe heraus. Getrennt ausgewertet wurde eine Patientengruppe, der von vorneherein eine gute Prognose zugeschrieben wurde: Darunter waren in der Dalteparin-Gruppe nach zwei Jahren 77 Prozent der Patienten am Leben, in der Vergleichsgruppe nur noch 56 Prozent.
Die zweite Studie(6) verglich die Wirksamkeit herkömmlicher Gerinnungshemmer (orale Antikoagulantien) in der Thromboseprophylaxe mit jener von niedermolekularem Heparin. Alle Patienten wurden in Folge einer akuten Thrombose auf eine Langzeittherapie eingestellt. Innerhalb des Beobachtungszeitraumes von sechs Monaten konnte das Risiko einer neuerlichen Thrombose mit Hilfe von Dalteparin um 52 Prozent reduziert werden: so trat in der Dalteparin-Gruppe bei 8,8 Prozent ein neuerliches Blutgerinnsel auf, in der Gruppe mit oralen Antikoagulantien bei 17,4 Prozent. "Dass Krebspatienten, die bereits einmal eine thrombo-embolische Komplikation hatten, langfristig behandelt werden müssen, ist heute unumstritten", unterstreicht Thrombose-Expertin Pabinger.
Es liegen sogar bereits Hinweise vor, dass die gerinnungshemmende Therapie mit NMH auch einen Effekt auf das Tumorwachstum hat. Heparine können unter anderem die Bildung neuer Blutgefäße zur Versorgung des Tumors hemmen und die Immunabwehr günstig beeinflussen.
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