Waffen von Killerzellen entschlüsselt
Max-Planck-Forscher haben die 3D-Struktur eines wichtigen Abwehrenzyms aufgedeckt und mit dieser Hilfe ein neues kostengünstiges Herstellungsverfahren entwickelt.
Tumorzellen und viral infizierte Zellen bedrohen unser Leben Tag für
Tag. Glücklicherweise verfügen wir in unserem Immunsystem über eine
starke Leibwache von Killerzellen, die mit verschiedenen todbringenden
Waffen - Proteasen oder Granzyme genannt - ausgerüstet sind und
unerwünschte Zellen rechtzeitig eliminieren.
Unter den circa 120
Proteasen des Menschen, die die Aminosäure Serin in ihrem Zentrum
haben, verfügt das Granzym A als einzige über zwei identische
katalytischen Köpfe.
Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für
Biochemie und Neurobiologie in Martinsried bei München haben jetzt
gemeinsam das Geheimnis dieses zweischneidigen Schwerts gelüftet und
seine räumliche Struktur bei hoher Auflösung analysiert (Nature
Structural Biology 10, 535-540, Juli 2003). Diese Erkenntnisse sind
wichtig für die Optimierung von Protease-Blockern, die bei
Transplantationen, Autoimmunkrankheiten oder chronischen
Infektionskrankheiten eingesetzt werden.
Die Granzyme A und B, zwei besonders intensiv erforschte Enzyme, sind
hocheffiziente Katalysatoren des programmierten Zelltods und lösen
eine explosionsartig ablaufende Kaskade von intrazellulären Prozessen
aus, die zur Selbstauflösung und dem kompletten Abbau unerwünschter
Körperzellen führen. Die selben lebensrettenden Proteasen können
jedoch auch enorme destruktive Energien gegenüber Organtransplantaten,
Spender-Stammzellen oder körpereigenen Geweben entfalten und
verheerende Schäden an gesunden Zellen und Organen anrichten.
Granzym B erkennt besondere Sequenz-Motive an der Oberfläche von im
Zytosol befindlichen Proenzymen, den Procaspasen, und wandelt diese
Vorläufermoleküle durch selektiven Schnitt in der Nähe eines negativ
geladenen Asparaginsäure-Restes in eine funktionell aktive Caspase um.
Caspasen sind der intrazelluläre Motor eines universellen
zellbiologischen Programms, das die Selbstzerstörung und geordnete
Auflösung überflüssiger oder unerwünschter Zellen kontrolliert. Im
Unterschied dazu erkennt Granzym A eine große Zahl von
unterschiedlichen Oberflächen-Strukturen im Umgebungsbereich eines
positiv geladenen Aminosäure-Restes und spaltet überwiegend
Untereinheiten von großen Proteinkomplexen.
Die Max-Planck-Forscher haben nun mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse
herausgefunden, dass die beiden miteinander verbundenen Molekülköpfe
(-Einheiten) des Granzyms A in exakt entgegengesetzte Richtung zeigen
und durch eine 180 Grad-Drehung ineinander überführt werden können.
Dadurch entstehen zwei funktionell gleichwertige Dimer-Oberflächen
(Vorder- und Rückseite).
Jede Moleküleinheit erfüllt eine doppelte
Aufgabe: Mit der Rückseite des einen Moleküls wird die Beute
festgehalten und dann dem Nachbarmolekül präsentiert. Dieses schneidet
die Beute und gibt die beiden Bruchstücke rasch wieder frei. Wie ein
zweischneidiges Schwert bahnt sich auf diese Weise das Granzym A
seinen Weg durch komplexe Strukturen.
Zugleich ist es den Forschern gelungen, ein neues, wesentlich
kostengünstigeres Verfahren zur Herstellung von Granzym A zu
entwickeln. Granzyme eigenen sich als Angriffspunkte für die
Entwicklung neuartiger Medikamente, um eine Überreaktion des
Immunsystems und die hierbei beobachteten Schäden durch Killerzellen
zu verhindern.
Das neue Herstellungsverfahren und die genaue Erfassung
der dreidimensionalen Struktur des Granzym A sind wichtige
Voraussetzungen, um vorhandene Protease-Blocker optimieren und neue
entwickeln zu können. Derartige Inhibitoren könnten bei
Transplantat-Abstoßung, Autoimmunkrankheiten, wie rheumatoider
Arthritis oder Multipler Sklerose, und bei chronisch verlaufenden
Infektionskrankheiten praktische Anwendung finden.
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