Frauen und Herzinfarkt: die CORA-Studie
Die CORA-Studie - Coronary Risk Factors for Atherosclerosis in Women -
hat eine Reihe bemerkenswerter Erkenntnisse zum Verständnis dieser
häufigen Erkrankung gebracht, die direkt therapeutisch umgesetzt
werden können.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere der Herzinfarkt, haben bei
Frauen dramatisch zugenommen und sind zur führenden Todesursache
geworden. Die CORA-Studie wurde seit 1997 unter der Leitung von
Professor Dr. Eberhard Windler an der Medizinischen Klinik (Direktor
Professor Dr. Heiner Greten) des Universitätsklinikums
Hamburg-Eppendorf (UKE) durchgeführt.
Sie ist die erste populationsbezogene Fall-Kontroll-Studie für Frauen in Europa mit einer aussagekräftigen Probandenzahl, die sowohl Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil als auch klinische Parameter, anthropometrische Messungen und genetische Faktoren in die Untersuchung einbezieht. 200 Patientinnen der Medizinischen Klinik mit neu aufgetretener koronarer Herzkrankheit wurden mit 255 gleichaltrigen gesunden Frauen aus der Hamburger Bevölkerung verglichen.
Einige Ergebnisse kurz zusammengefasst:
- Ohne Ausnahme haben Frauen mit koronarer Herzkrankheit einen der
bekannten Risikofaktoren wie hohen Blutdruck, Diabetes, Rauchen oder
eine Fettstoffwechselstörung.
- In über 90 Prozent der Fälle liegt eine Kombination von zwei,
häufiger drei oder vier dieser Risikofaktoren vor.
- Zwei Drittel der Frauen haben ein Metabolisches Syndrom (Diabetes
und zwei weiteren Risiken), die damit häufigste Risikokonstellation.
- Diabetes, aber ganz besonders die Insulinresistenz, ist mehrfach
häufiger bei Frauen mit koronarer Herzkrankheit anzutreffen.
- Da Insulinresistenz heute noch nicht diagnostiziert wird, bleibt das
Risiko für das Herz meist unerkannt.
- Obgleich die Entwicklung des Metabolischen Syndroms gewichtsabhängig
ist, unterscheiden sich koronarkranke und -gesunde Frauen weder in
ihrem Gewicht noch im BMI (Body Mass Index) bei Krankheitsausbruch.
Sie unterscheiden sich jedoch darin, dass der Gewichtsanstieg bei den
koronarkranken Frauen früher einsetzte.
- Aussagekräftig ist der Taillenumfang als Parameter einer zentralen,
mesenterialen Adipositas.
- Koronarerkrankungen sind mit einer ungünstigen Ernährungsweise
assoziiert: Koronarkranke Frauen haben eine höhere Aufnahme an
Kalorien, tierischen Fetten durch Fleisch, Wurstwaren, Saucen,
Desserts und Streichfetten, während gesunde Frauen Obst und Gemüse
bevorzugen und deutlich mehr Sport treiben.
- Daher können Medikamente allein nicht korrigieren, was ungünstiger
Lebensstil anrichtet.
- Die Wirkung der Ernährung ist dramatisch und stärker als die der
bekannten Risikofaktoren.
- Beispielsweise reduzieren 200 Gramm Obst und Gemüse täglich verzehrt
(circa zwei Äpfel und Gemüse zu einer Mahlzeit) das koronare Risiko um
etwa 60 Prozent. 100 Gramm Fleisch und Wurstwaren erhöhen hingegen das
Risiko um etwa 150 Prozent. Ernährungsfaktoren erklären in dieser
Studie einen Großteil der aufgetretenen Koronarerkrankungen.
- Zusätzlich beeinflussen die Ernährungsformen die bekannten
Risikofaktoren.
- Wider Erwarten spielt Rauchen allein für Frauen keine entscheidende
Rolle für die Entstehung koronarer Herzkrankheit.
- Rauchen wird besonders im Zusammenspiel mit einem Metabolischen
Syndrom für das Herz gefährlich.
- Offenbar spielt das Rauchen auch im Zusammenhang mit einer
Hormonersatztherapie (HRT) eine ungünstige Rolle.
- Insgesamt erleiden aber signifikant weniger Frauen unter HRT einen
Herzinfarkt.
- Frauen unter HRT folgen einem gesünderen Lebensstil und haben
deutlich weniger Risikofaktoren.
- Frauen, die unter HRT einen Herzinfarkt erleiden, bilden Ausnahmen
dieser Regel, haben einen exzeptionell schlechten Lebensstil, ernähren
sich falsch und rauchen häufig. Niedriges HDL-Cholesterin und hohes
Lipoprotein(a) trotz HRT weisen möglicherweise auf eine Untergruppe
von Frauen hin, die auf genetischer Basis nicht positiv auf Östrogene
reagieren.
- Aus soziodemographischer Sicht sind besser ausgebildete und
berufstätige Frauen im Vorteil.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
- Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass nicht die bekannten
Risikofaktoren allein zu koronarer Herzkrankheit führen, sondern
falsche Ernährung einen entscheidenden Einfluss hat.
- Daher wird es nicht gelingen, allein mit Tabletten die Effekte eines
ungesunden Lebensstils auszugleichen.
- Andererseits zeigt die Studie sehr eindrücklich einen einfachen Weg
auf, sich wirksam vor Herzkrankheiten zu schützen: eine gesündere
Ernährung mit weniger kalorienreichen und fettreichen Lebensmitteln
zugunsten von mehr Obst und Gemüse, regelmäßige körperliche Aktivität
und Rauchverzicht.
- Für junge Frauen ist es entscheidend, einen Gewichtsanstieg zu
vermeiden.
- In der Menopause kann Hormonersatztherapie Teil einer allgemein
gesunden Lebensführung ohne die befürchteten Risiken sein.
Im April 2003 wurde der Arbeitsgruppe Professor Dr. Eberhard Windler,
Dr. Birgit-Christiane Zyriax (UKE) und Privatdozent Dr. Heiner Boeing
(Abteilung für Epidemiologie, Deutsches Institut für
Ernährungsforschung, Potsdam-Rehbrücke) anlässlich der Jahrestagung
der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden der Preis
"Prävention in der Inneren Medizin" für diese Studie verliehen. Um die
Erkenntnisse umzusetzen, läuft zur Zeit eine Untersuchung zu
Motivationsformen in der Prävention und darauf folgend wird ein großes
Projekt zur Vermeidung des Typ 2 Diabetes in der Bevölkerung
durchgeführt.
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