artikel nr: 3462

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Entdeckung genetischer Grundlage von Motorneuronerkrankungen

Eine internationale Koalition von Forschungseinrichtungen publizierte ihre Entdeckung zur genetischen und molekularen Grundlage von Motorneuronerkrankungen (MND) einschliesslich der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) im Wissenschaftsjournal Science.

Ein zentraler pathogenetischer Mechanismus für MND wurde dadurch aufgeklärt und ein wichtiger Beitrag zur weiteren Erforschung und möglicherweise auch besseren Behandlung dieses Krankheitskomplexes geleistet. Die auch als Lou Gehrig's Disease bekannte ALS ist nach Alzheimer und Parkinson die dritthäufigste neurondegenerative Erkrankungen.

Die Publikation in Science erklärt, wie Veränderungen in Genen, die in nahezu jeder Zelle aktiv sind, dennoch in bestimmten Zelltypen zu sehr deutlichen Auswirkungen, im vorliegenden Fall zum Zelltod von Motorneuronen und damit MND führen können.

Die Forscher konnten durch die Identifizierung von zwei spezifischen Punktmutationen in demselben Gen (Dnchc1) sehr präzise Tiermodelle für Motorneurondegeneration entwickeln und dadurch den Zusammenhang von bestimmten genetischen Veränderungen und dem selektiven Absterben von Motorneuronen aufzeigen.

Auf diesen Entdeckungen basierend konnten die Forscher beweisen, daß die beiden Punktmutationen des Dnchc1-Gens den axonalen Rücktransportmechanismus von der Nervenzellendigung zum Nervenzellkörper beeinträchtigen, was weiters zu akkumulierenden zellulären Stoffwechselstörungen führte, die mit zunehmenden Alter zum spezifischen Absterben von Motorneuronen führen, ohne andere Zelltypen zu beeinträchtigen.

Das daraus entstehende klinische Bild ist mit den Befunden vergleichbar, die bei Menschen mit ALS oder anderen motorneuronalen Störungen beobachtet werden. Um zufällige, punktuelle Mutationen in den Genen des Säugetiermodells zu erzeugen, benutzten die Forscher Ethylnitrosurea. Es gelang, ein Modell zu identifizieren, das einen fortgeschrittenen Verlust an Muskelkraft und Bewegungsfähigkeit aufwies, vergleichbar den Symptomen und dem Krankheitsverlauf von ALS beim Menschen.

Durch positionelles Klonieren konnten die dafür verantwortliche Genveränderung identifiziert werden. Darauf aufbauend konnte nachgewiesen werden, dass die klinischen Symptome auf zwei verschiedene Eingriffe in die Genfunktion des Dnchc1 zurückzuführen waren.

Diese Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig die Technik der Einführung zufälliger subtiler Veränderungen im Erbgut sind, da sich in früheren Studien mit klassischer knock-out Technik (komplette Ausschaltung einzelner Gene) keine Brücke zur MND Forschung schlagen liess, da bei der Anwendung dieser Technik bereits die Embryonen nicht lebensfähig waren.

Dr. Brian Dickie, Forschungsdirektor der Motor Neurone Disease Association: "In den meisten aller Fällen war bisher die Ursache von MND unbekannt. Die neu gewonnen Erkenntnisse liefern vielversprechende Einblicke in die Hintergründe dieser Krankheit und dies wird uns zweifelsohne auf der Suche nach Heilung für diese Krankheit ein grosses Stück voranbringen."

Quelle:
Science 2003, Vol. 300, Nr. 5620, 808-812 "Mutations in dynein link motor neuron degeneration to defects in retrograde transport". Hafezparast et al.


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