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Aktuellste Highlights der Glaukom- und Katarakt-Therapie

Nachbericht: Rund 100 FachärztInnen für Augenheilkunde aus ganz Österreich trafen einander Anfang März zum traditionsreichen Pharmacia Winter-Symposium, einer intensiven ophthalmologischen Fortbildung auf Schloss Pichlarn im Ennstal. 14 führende in- und ausländische ExpertInnen kamen der Aufforderung der Vorsitzenden - "Provozieren Sie das Auditorium!" - nach und setzten hochaktuelle, teils provokante Schwerpunkte zu den Themen Katarakt und Glaukom.

Schwung- und humorvoll moderierten Univ.-Prof. Dr. Michael Amon, OA Dr. Anton Hommer (beide Wien) und Univ.-Prof. Dr. Christoph Faschinger (Graz) die dreitägige Veranstaltung. Das über 900 Jahre alte Schloss, eingebettet in einer der schönsten Kultur- und Gebirgs-Landschaften Europas, bot ein anregendes Ambiente. Für Ausgleich zwischen den Vorträgen sorgte ein attraktives kulinarisches und künstlerisches Rahmenprogramm.

IOL: Einzug der Wellenfrontechnologie
Zunächst ging es um Intraokularlinsen. Nach einem aktuellen Überblick über die Biometrie von Dr. Wolfgang Haigis, Univ.-Augenklinik Würzburg, und einem Update über Problemfälle in der Kataraktchirurgie durch Univ.-Prof. Dr. Michael Amon von der Univ.-Klinik für Augenheilkunde Wien berichtete dessen Kollegin Univ.-Prof. Dr. Claudette Abela-Formanek über neue klinische Ergebnisse mit der CeeOn® Edge-Intraokularlinse (IOL).

Den Mittelpunkt des Katarakt-Programmteils bildete die Vorstellung der ersten Wellenfrontaberrations-korrigierenden Faltlinse Tecnis®. Die patentierte vordere Oberfläche der Linse korrigiert die positiven Aberrationen (Brechungsstörungen) der Hornhaut und verbessert damit die Kontrastempfindlichkeit wesentlich.

DI Thom Teerwe aus Groningen, Niederlande, hat die neue Linse im Vergleich mit Standard-IOLs ausführlichen Tests am Modellauge unterzogen. Sein Fazit: "Die Tecnis® Z9000 zeigte wesentlich geringere Wellenfrontaberrationen als die Vergleichslinsen (z.B. Clariflex CLRFLXB, Acrysof SA60AT und CeeOn® Edge 911A). Die Tecnis®-IOL verbessert das Kontrastsehvermögen im Vergleich zu herkömmlichen Linsen deutlich und kann eine Kontrast- und Tiefenschärfe vergleichbar mit dem jungen Auge wieder herstellen."

Klinische Studien belegen: Tecnis® verschärft Kontraste
"Das mesopische (Dämmerungs-) Kontrastsehen mit der Tecnis® -Linse ist gleich gut wie das photopische (Tageslicht-) Kontrastsehen mit einer sehr guten anderen Linse", bestätigte Univ.-Prof. Dr. Ulrich Mester, Leiter der Augenklinik der Bundesknappschaft Sulzbach/Saar, Deutschland. Er hat die neue IOL in klinischen Studien mit Standard-Linsen verglichen. "Das photopische Kontrastsehen mit Tecnis® übertrifft jenes mit den Vergleichs-Linsen. Die Ausgangsbefunde rechts/links waren gleich, es herrschten strenge Ein-/Ausschluss-Kriterien. Die selben Operateure setzten die IOLs innerhalb des selben Zeitraums mit den selben Operationstechniken ein."

Mit folgenden Ergebnissen: Die kornealen Wellenfrontaberrationen vor und nach den Operationen waren gleich. "Das heißt die OP selbst hatte keinen Einfluss. Die sphärische Aberration des Gesamtauges ging allerdings mit der Tecnis®-IOL nach 1, 3 und 6 Monaten gegen Null; mit den Vergleichs-Linsen lag sie konstant bei 0,08 ?m." Auch das Kontrastsehen nach Ginsberg war mit Tecnis® mesopisch und photopisch sowohl nach 3 als auch nach 6 Monaten um ein Drittel besser - "hochsignifikant".

"Inzwischen haben mehrere KollegInnen international ähnliche Vergleichsstudien mit weiteren Alternativ-Linsen durchgeführt. Sie kamen alle zu ähnlichen Ergebnissen", so der Experte. Untersucht hat Mester auch eventuelle Bedenken gegen die neue Linse. Aufgrund der individuellen Beschaffenheit jedes Auges wirkt sie bei etwa einer von zehn Personen nicht im vollen erwarteten Umfang. "Es entsteht aber auch kein negativer Effekt. Auch bei Patienten mit einer negativen Gesamtaberration tritt keine Verringerung des Kontrastsehvermögens ein."

Glaukom - zuwarten, mild oder aggressiv behandeln?
"8 bis 12% aller PatientInnen einer augenärztlichen Ordination haben ein Glaukom", führte Dr. Anton Hommer, Oberarzt der Augenabteilung Krankenanstalt Sanatorium Hera in Wien, ins zweite Hauptthema des Symposiums ein. "Jener Faktor, den wir am besten beeinflussen können und dessen Senkung vielen Glaukom-Patienten eine Verbesserung bringt, ist der Augeninnendruck (IOD)."

Neben Methoden, Häufigkeit und Systematik der Druckmessung stellten weitere ReferentInnen die aktuellsten Erkenntnisse zu Pachymetrie, Zieldruck, Dokumentation und Analyse der Papille und Nervenfasern, Perimetrie, Provokationstest, Operations-Indikationen und Laserbehandlung dar.

Univ.-Prof. Dr. Christoph Faschinger von der Universitäts-Augenklinik Graz widmete sich dem natürlichen Verlauf des Glaukoms und der Frage, wann und wie radikal therapiert werden sollte. Während laut OHTS-Studie (Ocular Hypertension Treatment Study) 89% aller Patienten mit okularer Hypertension (OH) auch ohne Behandlung innerhalb von 5 Jahren stabil blieben, ist die Prognose in anderen klinischen Studien weniger günstig: lt. EMGT (Early Manifest Glaucoma Trial) progredierten 62%, lt. CNTGS (Collaborative Normal Tension Glaucoma Study) 60% der Patienten unbehandelt innerhalb von 5 bis 6 Jahren.

"Bei Therapien zur IOD-Senkung um bis zu 30% kann man von einer 'milden' Behandlung sprechen. Doch welche Drucksenkung ist ausreichend? Große Studien zeigen, dass das Progressions-Risiko umso mehr sinkt, je stärker der IOD zurück geht. In der EMGT-Studie waren trotz 25%iger Drucksenkung 45% der Augen innerhalb von 6 Jahren progredient. Für ein wirksames Minimieren der Progression sollten wir den Augendruck daher um mindestens 30% senken und stabilisieren; bei fortgeschrittenem Glaukom auf unter 18 mmHg, am besten im Mittel um 12 mmHg."

Als Mittel der Wahl für eine IOD-Senkung in diesem Ausmaß empfiehlt Faschinger das Prostaglandin-Analogon Latanoprost(1). Mit diesem Wirkstoff liegen mehr als 6 Jahre Erfahrung vor, er wurde weltweit bereits über 100 Millionen mal verschrieben. Sein ausgezeichnetes Wirk-/Sicherheitsprofil, gute lokale Verträglichkeit und die einfache, 1x tägliche Anwendung fördern die Compliance der PatientInnen. "Damit würde ich schon OH mit Risikofaktoren sowie beginnende und moderate Glaukome behandeln." Zu 'aggressiver Therapie' rät Faschinger bei fortgeschrittenen Glaukomen bzw. bei Progression moderater Glaukome, bei Zentrumsbedrohung und ev. auch bei besonders langer zu erwartender Lebensdauer.

Relevanz der großen Glaukom-Studien für die Praxis?
"Das Ziel der Glaukom-Therapie ist die Vermeidung von Erblindung - bei wirtschaftlicher Allokation der Resourcen", begann Univ.-Prof. Dr. Günther Krieglstein, Direktor der Augenklinik der Universität Köln, seine Vorstellung der Ergebnisse der großen Therapiestudien zum Glaukom und ihre Relevanz für die Praxis. "Wie hoch sind die Kosten, um das Sehvermögen eines Patienten für ein weiteres Jahr zu erhalten, wenn wir problemorientiert vorgehen, wenn Sicherheit und Standards der Therapie definiert und innovative Behandlung und Compliance der Patienten gesichert sind?"

"Die größte Evidenz-Stärke bringt die Zusammenfassung der Ergebnisse klinischer Studien verschiedener Teststärken und unterschiedlicher Designs. Die Therapie des IOD ist gesichert bei okularer Hypertension (OH), in Glaukom-Frühstadien, bei Normaldruck-Glaukom (Normal Tension Glaucoma, NTG) und in Spätstadien", resumierte Krieglstein die vorliegenden großen Therapiestudien(2).

Wichtig sei es, über die Relation von IOD zu den Risiken der Glaukom-Manifestation nachzudenken. "Der Bedarf an IOD-Senkung ist am größten für NTG, dann für das fortgeschrittene primäre Offenwinkel-Glaukom (POWG), danach für das frühe primäre POWG, dann für die OH. Allgemein gültige Therapie-Regeln sind zu hinterfragen. Unsere bestehenden Konzepte der Glaukom-Behandlung müssen also individueller gestaltet werden."

Welche Abwägungen der Arzt im Einzelfall zu treffen hat, führte Krieglstein am Beispiel der okularen Hypertension aus: "Gegen eine Therapie der OH spricht, dass nur wenige Patienten ein Glaukom bekommen. Eine Reihe von Faktoren sprechen aber für die Therapie, nicht zuletzt dass OH-Patienten darauf sehr gut ansprechen und durch die Behandlung eine bessere Verlaufskontrolle gewährleistet ist. Dafür spricht auch das medico-legale Risiko: Stellen Sie sich vor, Ihr Patient - dessen OH Sie diagnostiziert, aber nicht behandelt haben - entwickelt ein Glaukom, geht zu Gericht und klagt. Wie wird das Gericht entscheiden? Haben wir dem Patienten geschadet, in dem wir ihn nicht therapiert haben?" ________________ (1) Für Fachmedien: Xalatan® / Xalacom® (2) Ocular Hypertension Treatment Study (OHTS), European Glaucoma Prevention Study (EGPS), Collaborative Initial Glaucoma Treatment Study (CIGTS), Early Manifest Glaucoma Trial (EMGT), Collaborative Normal-Tension Glaucoma Study (CNTGS) und Advanced Glaucoma Intervention Study (AGIS)


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