Transplantation: Frauenherzen bringen seltener Glück
Ob ein transplantiertes Organ von einem weiblichen oder einem männlichen Spender stammt, hat entscheidenden Einfluss auf seine langfristige Funktion. Für die Transplantation von Herz und Nieren gilt: Organe von verstorbenen weiblichen Spendern werden vom Immunsystem vergleichsweise häufig abgestoßen und haben schlechtere Überlebenschancen.
Die Transplantations-Studie des Universitätsklinikums Heidelberg belegt: Nieren und Herzen von weiblichen Organspendern werden häufiger abgestoßen.
Das Ergebnis einer Analyse, die Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg jetzt in der amerikanischen Fachzeitschrift "Journal of the American Society of Nephrology" veröffentlicht haben, beruht auf der Auswertung der weltweit größte Datensammlung in der Transplantationsmedizin.
Dieses Archiv ist die internationale "Collaborative Transplant Studie", die seit fast 20 Jahren am Heidelberger Institut für Immunologie durchgeführt wird. Dort liegen Daten zu 212.000 Nierentransplantationen, 32.000 Herztransplantationen und 25.000 Leberübertragungen vor.
Anhand dieses umfangreichen Datenmaterials konnten die Heidelberger
Wissenschaftler erstmals statistisch fundierte Aussagen zur Bedeutung des
Spendergeschlechts machen. Weniger umfangreiche Studien hatten bereits
Hinweise geliefert, dass Organe von Spenderinnen eine schlechtere Prognose
haben dürften. "Empfängerinnen von weiblichen Spendernieren haben ein um 15
Prozent erhöhtes Risiko, ihr neues Organ innerhalb des ersten Jahres nach
der Transplantation zu verlieren", erklärt Prof. Dr. Martin Zeier,
Nierenspezialist an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. "Bei
Männern ist das Risiko sogar um 22 Prozent erhöht." Im Durchschnitt müssen
etwa 10 Prozent aller Nierenempfänger mit einem Verlust des Organs nach
einem Jahr rechnen.
Schlechtere Ergebnisse auch bei der Lebendspende von Schwester und Mutter
Diese Ergebnisse gelten auch für die Lebendspende von Nieren. "Selbst wenn
die Niere von der Mutter oder Schwester gespendet wurde und eine gute
Gewebsübereinstimmung bestand, wirkte sich der Geschlechtsfaktor negativ
aus", sagt Prof. Zeier. Brüder und Väter erwiesen sich im Vergleich dazu als
ideale Spender.
Je jünger die Spenderin, desto stärker fällt der Geschlechtsfaktor ins
Gewicht, fanden die Wissenschaftler. Vor allem Organe von Spenderinnen unter
45 Jahren hatten eine schlechtere Prognose. Selbst wenn es nicht zur
Abstoßung des Organs kam, so war doch seine Funktion in Mitleidenschaft
gezogen: Der Kreatininspiegel im Blut, wichtigster Indikator für eine
intakte Ausscheidungsfunktion der Niere, war bei den Empfängern weiblicher
Spendernieren erhöht, unabhängig davon, ob es sich um einen Mann oder Frau
handelte.
Auch auf die Übertragung von Herzen hat das Geschlecht des Spenders
Einfluss, allerdings in geringerem Umfang. "Männer, denen ein weibliches
Herz transplantiert wurde, haben ein höheres Risiko, dass ihr neues Organ
versagt", erklärt Prof. Dr. Gerhard Opelz, Ärztlicher Direktor der Abteilung
für Transplantationsimmunologie am Heidelberger Klinikum und Leiter der
"Collaborative Transplant Studie".
Etwa 25 Prozent der Frauenherz-Empfänger verlieren ihr Organ nach einem Jahr. Bei allen Herzempfängern, dies zeigt die Heidelberger Studie, sind es durchschnittlich 20 Prozent. Weibliche Empfänger scheinen dagegen keine Nachteile durch ein geschlechtsgleiches Spenderherz zu haben. Diese Ergebnisse gelten allerdings nur für erstmalige Herztransplantationen. Für die Lebertransplantation scheint das Geschlecht des Spenders keine entscheidende Rolle zu spielen.
Frauen haben weniger Nierengewebe und schützende Östrogene
Warum sind Frauen "schlechtere" Nierenspender? Eindeutige Erklärungen gibt
es bislang nicht. "Es wird vermutet, dass schlichtweg die Masse des
Nierengewebes eine Rolle spielt", sagt Prof. Dr. Eberhard Ritz, Leiter der
Sektion Nephrologie an der Heidelberger Medizinischen Universitätsklinik.
Tierversuche haben gezeigt: Weibliche Nieren haben weniger Nierenkörperchen,
die für die Ausscheidung von Harn und Schadstoffen sorgen. Ein andere
Hypothese schreibt den weiblichen Geschlechtshormonen einen schützenden
Effekt für das Nierentransplantat zu und würde die unterschiedlichen Risiken
von Empfängerinnen und Empfängern erklären.
Vor allem aber geschlechts-spezifische Merkmale des Immunsystems dürften
eine Rolle spielen. "Aus Tierversuchen wissen wir, dass weibliche Nieren
mehr Antigene haben, die Abwehrreaktionen des Immunsystems hervorrufen",
sagt Prof. Ritz. Dies würde auch erklären, warum sowohl weiblichen Nieren
als auch Herzen schlechter vertragen, also häufiger abgestoßen werden.
Schließlich gibt es Hinweise darauf, dass weibliche Organe empfindlicher auf
Sauerstoffmangel reagieren dürften. Dieser tritt auf, wenn das Organ beim
verstorbenen Spender entnommen und von der Blutversorgung abgeschnitten ist.
Für den Transport zum Empfänger wird es in einer speziellen Lösung
konserviert. Je kürzer diese Zeitspanne ist, desto besser sind die
Erfolgsaussichten der Transplantation.
Derzeit werden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation ca.
57 Prozent der Organe, die nach dem Tod entnommen werden, von Männer
gespendet. Insgesamt gab es im Jahr 2001 in Deutschland 1.073 Organspender.
Bei der Nieren-Lebendspende (388 Transplantationen) stammten die Organe etwa zu zwei Drittel von Frauen.
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