"Treibstoff" für das geschwächte Herz
Forscher entdeckten ein Protein, das die Schlagkraft des Herzens erhöht, ohne seinen Rhythmus zu verändern. Damit haben sie einen wesentlich Beitrag zum besseren Verständnis der Herzinsuffizienz geleistet, der Ansatzpunkte für neue Therapien bietet. In Aussicht steht möglicherweise eine Gentherapie, bei der das Gen für S100A1 aktiviert oder in die Herzmuskelzelle eingeschleust wird.
Wer zu wenig S100A1 Protein im Herzmuskel hat, dessen Herz schlägt nicht mit
voller Kraft. Bei ihrer Suche nach Ursachen der Herzmuskelschwäche sind
Wissenschaftler der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg auf diesen
essentiellen "Treibstoff" des Herzmuskels gestoßen.
Herzinsuffizienz, zu deutsch Herzmuskelschwäche, ist eine weit verbreitete
Erkrankung des Herzmuskels und mittlerweile die häufigste Diagnose, mit der
Patienten aus deutschen Krankenhäusern entlassen werden. Bei der auch als
Kardiomyopathie bezeichneten Erkrankung ist das Herz nicht mehr in der Lage,
Blut mit der notwendigen Kraft in den Körper zu pumpen und alle Gewebe
ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen.
Geschwächte Herzen können durch die Gabe von Stresshormonen, zum Beispiel Adrenalin, vorübergehend mehr Schlagkraft erlangen. Bei gesunden Menschen sind diese Hormone in der Lage, die Leistungsfähigkeit des Herzens und damit des gesamten Körpers bei Bedarf zu steigern.
In einer Stresssituation wird jedoch nicht nur die Kraft, sondern auch die Schlagfrequenz des Herzens erhöht. Bei erkrankten Herzen geht dies mit einer Häufung schwerwiegender Rhythmusstörungen einher, die lebensbedrohlich sein können.
Patienten mit Herzinsuffizienz haben weniger Protein S100A1
An der Kardiologischen Abteilung der Medizinischen Universitätsklinik
Heidelberg (Ärztlicher Direktor Prof. Hugo A. Katus) haben Dr. Andrew
Remppis, Leiter des Labors für Biochemische Kardiologie, und seine
Mitarbeiter entdeckt, dass es einen alternativen, von Stresshormonen
unabhängigen Weg gibt, mit dem die Kraft des Herzmuskels kontrolliert wird.
Dabei spielt das Calcium-bindende Protein S100A1 eine entscheidende Rolle.
S100A1 wird vorwiegend in Herzmuskelzellen gebildet und ist innerhalb der
Herzmuskelzelle mit Zellbestandteilen vergesellschaftet, die von zentraler
Bedeutung für die Kontraktion des Herzmuskels sind.
Über die Funktionsweise dieses Proteins im Herzmuskel war bislang wenig bekannt. Die Arbeitsgruppe um Dr. Remppis fand jedoch, dass Herzen von Patienten mit Herzinsuffizienz, ungeachtet ihrer Ursachen, weniger S100A1 enthalten. Die Wissenschaftler vermuten, dass die im Herzmuskel nachzuweisende Konzentration von S100A1direkt mit der Herzfunktion im Einklang steht.
Den Beweis für diese Hypothese, brachten Experimente an Herzmuskelzellen und
künstlichen Herzmuskelgeweben. Die Heidelberger Wissenschaftler kurbelten
mit gentechnischen Methoden die Produktion des Proteins an und konnten so
eine deutliche Steigerung der Kontraktionskraft erzielen. Die S100A1-bedingte Kraftzunahme beruht auf einem bisher nicht vollständig aufgeklärten Mechanismus.
Ergebnisse belegen jedoch, dass S100A1 im entscheidenden Maße die Calcium-Ströme der Herzmuskelzelle beeinflusst, die selbst wiederum auf molekularer Ebene die Funktion des Herzmuskels regulieren. Durch diesen alternativen Weg wird nur die Kraft, nicht aber die Frequenz des Herzschlags gesteigert. Dennoch bleibt die Empfindlichkeit für Stresshormone erhalten, so dass neben einer gesteigerten Ruhefunktion des Herzens bei Bedarf eine weitere Leistungssteigerung möglich ist.
Weitere Untersuchungen bei Patienten erforderlich / Ansatz für
Gentherapie?
Remppis und sein Team wollen ihre Ergebnisse, die sie im Labor gewonnen
haben, möglichst bald Patienten zugute kommen lassen. Dafür sind zunächst
wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich, die den Stellenwert des
Proteins S100A1 beim Patienten weiter untersuchen. Die Wissenschaftler
hoffen mit ihren Erkenntnissen eine Gentherapie zu entwickeln, mit der die
Menge an S100A1-Protein in den Herzen von Patienten gesteigert werden kann.
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