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Wenn Meningokokken Kinderblut vergiften

Meningokokken-Infektion und Gerinnungsstörungen - ein wichtiges Thema bei der 47. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung

"Meningokokken sind Bakterien, die bei 5-10% der Bevölkerung im Rachenraum gefunden werden - ohne den Trägern selbst gefährlich zu werden. Gelangen sie jedoch ins Blut, können die Folgen fatal sein: an die 100 Fälle von Gehirnhautentzündung (Meningitis) und/oder Blutvergiftung (Sepsis) werden jährlich in Österreich verzeichnet", informierte Tagungspräsidentin Univ.Prof. Dr. Christine Mannhalter anlässlich der 47. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung, die vom 15. bis 18. Februar in Innsbruck stattfand.

Kinder am häufigsten betroffen

Rund die Hälfte der Fälle betreffen Kinder zwischen 6 Monaten und 5 Jahren. In diesem Alter ist das Immunsystem, das die Erreger abwehren kann, noch nicht vollständig ausgereift. Weitere 20% der Erkrankungsfälle sind Teenager zwischen 14 und 19 Jahren, die durch vermehrte enge Sozialkontakte, wie Küssen, einer höheren Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind.

"Die Sepsis ist durch rasche Entwicklung eines Kreislaufschocks mit Bewusstlosigkeit, Multiorganversagen und schwerer Blutgerinnungsstörung charakterisiert. Die Gerinnungsstörung führt zum Auftreten von Blutgerinnseln in den inneren Organen und der Haut. Durch die Verstopfung der Blutgefäße kommt es zum Organversagen und/oder Verlust von ganzen Extremitäten", beschreibt Univ.Prof. Dr. Werner Zenz, Kinderfacharzt an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz. "Während die Sterblichkeitsrate bei der Meningitis bei etwa 1% liegt, beträgt sie bei der Sepsis auch heute noch ca. 25%. Wie neue Untersuchungen zeigen, ist es auch von unseren Genen abhängig, ob sich eine Meningokokken-Infektion klinisch als Sepsis oder Meningitis äußert", so Mannhalter.

Verwechslung mit Grippe

Meningokokken werden wie Grippeviren durch Tröpfcheninfektion (Husten, Niesen, Küssen) übertragen. Die Krankheitsfälle treten gehäuft in der kalten Jahreszeit zwischen Jänner und März auf, wenn viele Menschen erkältet sind. Die Symptome setzen akut ein und können anfangs nicht von einer banalen Grippe unterschieden werden: plötzlich auftretendes Fieber, Kopf-, Muskel- und Gelenksschmerzen und Schüttelfrost. Erst wenn der Ausschlag auftritt oder typische Zeichen einer Hirnhautentzündung (Nackensteifigkeit) oder einer Sepsis (schlechter Allgemeinzustand, erniedrigter Blutdruck) zu beobachten sind, wird die Diagnose gestellt.

Für Eltern hilfreich - der Wasserglastest

Die veränderte Blutgerinnung ist klar am Hautausschlag zu erkennen, der vorwiegend an den Gliedmaßen auftritt. Ein ganz einfacher Test schafft Gewissheit: Man drückt ein Wasserglas auf die Haut des Kindes und beobachtet, ob die Hautflecken verschwinden. Bleiben sie bestehen, ist das in Kombination mit Fieber ein sehr starker Hinweis auf eine Meningokokken-Infektion.

Therapie & Vorsorge

"Früherkennung und rasches Handeln der Eltern ist der erste und wichtigste Schritt, denn die meisten Todesfälle treten bereits innerhalb der ersten 6 Stunden auf", so Zenz. Durch eine sofortige Antibiotika- und eine aggressive Intensivtherapie kann ein Kreislaufschock erfolgreich behandelt werden.

Bei lebensbedrohlichen Verläufen wird häufig versucht die Blutgerinnungsstörung zu verbessern. "Seit Ende letzten Jahres stehen uns mit aktiviertem und nicht aktiviertem Protein C viel versprechende Substanzen zur Verfügung. Protein C ist ein Bestandteil des Blutes, der die Blutgerinnung steuert und die Bildung von Gerinnsel (Thrombosen) verhindert. Es wirkt also gerinnungshemmend, aber auch anti-entzündlich und greift direkt in den Sepsis-Mechanismus ein", so der Pädiater. "Vor dem generellen Einsatz von Protein C bei der Menigokokkensepsis im Kindesalter müssen jedoch kontrollierte Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen."

Auf jeden Fall ist die erst seit kurzem verfügbare Konjugatimpfung gegen Meningokokken vom Typ C sehr empfehlenswert. Diese Impfung schützt Kinder bereits ab dem zweiten Lebensmonat wirkungsvoll vor einer Infektionen mit Meningokokken vom Typ C. Da aber gegen die häufiger vorkommenden Infektionen mit dem Typ B noch keine Impfung zur Verfügung steht, ist die Aufklärung der Eltern über das Wesen dieser Erkrankung von größter Bedeutung "Würden prophylaktisch alle Kinder gegen Meningokokken Typ C geimpft werden, könnten in Österreich rund 15-30 Krankheitsfälle pro Jahr verhindert werden", fasst der Experte zusammen.


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