Jeder 7. Krebspatient stirbt an Thrombenfolgen
Bei der 44. Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH)(1) wurden neue Daten zum Einsatz des niedermolekularen Heparins Dalteparin-Natrium(2) bei onkologischen Patienten mit akuter venöser Thromboembolie (VTE) präsentiert. Der Wirkstoff reduzierte bei
Langzeitbehandlung das Risiko, eine VTE zu erleiden, im Vergleich zur Standardtherapie mit oralen Antikoagulanzien(3) um rund 50%.
"Die akute venöse Thromboembolie ist eine potenziell sehr ernste Komplikation von Krebserkrankungen", erläutert Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie, Univ.-Klinik für Innere Medizin I Wien. "Etwa ein Fünftel aller Fälle von VTE treten bei onkologischen Patienten auf.(4)
Einer von sieben hospitalisierten Krebspatienten stirbt an Ereignissen in Folge von Thrombenbildung - nicht am Karzinom selbst.(5) Dazu kommt, dass bei onkologischen Patienten mit einer venösen Thromboembolie ein höheres Risiko eines weiteren solchen Ereignisses besteht als bei VTE-Patienten ohne Krebsleiden."(6)
Wiederkehrende VTE auf Hälfte gesenkt
Eine beim ASH präsentierte weltweite Multicenter-Studie mit der Kurzbezeichnung CLOT(7) schloss 772 Patienten mit akuter symptomatischer tiefer Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie ein. Sie wurden in zwei Gruppen randomisiert, von denen die eine 5-7 Tage lang 1x täglich Dalteparin-Natrium 200 IE/kg und danach 6 Monate lang das orale Antikoagulans Warfarin erhielt.
Die andere Gruppe erhielt über den gesamten Zeitraum von 6 Monaten das niedermolekulare Heparin (200 IE/kg während des ersten und ca. 150 IE/kg während der fünf weiteren Monate).
Die kumulierte Rate wiederkehrender VTE in der Warfarin-Gruppe betrug 17,4%,
in der Dalteparin-Gruppe 8,8%. Die Blutungsraten in den beiden Gruppen
unterschieden sich nicht signifikant: Starke Blutungen traten bei 3,6% der Warfarin- und bei 5,6% der Dalteparin-Verwender auf; sämtliche Blutungsereignisse gemeinsam betrugen unter Warfarin 18,5%, unter dem niedermolekularen Heparin 13,6%.
"Dieses niedermolekulare Heparin zeigte sich in dieser Studie in Bezug auf
die Reduktion wiederkehrender venöser Thromboembolien überlegen", kommentiert Zielinski. "Die Behandlung mit Dalteparin könnte außerdem die Führung der Patienten erleichtern: Die Verabreichung oraler Antikoagulanzien
gestaltet sich bei onkologischen Patienten oft schwierig, da die Aufrechterhaltung des therapeutisch erforderlichen Bereichs dieser Wirkstoffe häufige Blutabnahmen erfordert."
Langfristig bessere Überlebenschancen
Eine weitere, ebenfalls bei der Jahrestagung der ASH vorgestellte Studie mit
der Bezeichnung FAMOUS(8) untersuchte erstmals überhaupt den Einfluss eines
niedermolekularen Heparins auf die Überlebensrate von onkologischen Patienten in fortgeschrittenem, meist metastasiertem Tumorstadium ohne Anzeichen einer VTE. 382 Studienteilnehmer erhielten entweder 1x täglich
Dalteparin-Natrium oder Plazebo.
Eine Subgruppen-Analyse (n=100) jener Teilnehmer, die mehr als 17 Monate nach Beginn der Studie überlebt hatten, ergab für den Dalteparin-Natrium-Arm
eine 2-Jahres-Überlebensrate von 77% und eine 3-Jahres-Überlebensrate von
59% - versus 56% (2 Jahre) bzw. 37% (3 Jahre) mit Plazebo. Die Analyse des
primären Studienendpunkts ein Jahr nach Randomisierung hatte keine
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen erbracht. Die Blutungs-Inzidenz lag
bei 4,8% mit dem Heparin versus 2,8% unter Plazebo.
"Obwohl sich keine Unterschiede in der 1-Jahr-Überlebensrate der beiden Gruppen zeigten, sind die Ergebnisse bei den Patienten mit besserer Prognose, die Dalteparin erhielten, ermutigend", so Zielinski. "Der langfristige Einfluss der Substanz auf die Überlebenschancen von Krebspatienten muss in weiteren klinischen Studien untersucht werden."
Studien zur Bestimmung der Wirksamkeit von Dalteparin-Natrium auf die tiefe
Venenthrombose bei Brustkrebs sowie auf die Überlebensraten bei Hirntumoren,
Bauchspeicheldrüsen- und Darmkrebs laufen bereits.
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Fußnoten:
(1) 6.-8. Dezember 2002 in Philadelphia, USA
(2) Für Fachmedien: Fragmin®
(3) Warfarin
(4) State-of-the-art management of thromboembolism. Hospital Pharmacist
8:260, October 2001
(5) Shen V.S. et al. Fatal pulmonary embolism in cancer patients: Is heparin
prophylaxis justified? South Med J 73:841-3, 1980
(6) Lee, Agnes Y.Y. und Levine, Mark N. Cancer and thrombosis: Current
concepts in patient care. Chase Medical Communications, Inc. Wilton, CT,
2002.
(7) Randomized Comparison of Low Molecular Weight Heparin versus Oral
Anticoagulant Therapy for LOng Term Anticoagulation in Cancer Patients with
Venous Thromboembolism
(8) FRAGMIN Advanced Malignancy OUtcome Study
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