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Gesundheitsrisiko Gewalt

Die WHO legte am 3. Oktober in Brüssel den ersten Weltbericht Gewalt und Gesundheit vor, der umfangreiche Belege für die Beeinträchtigung der Gesundheit durch Gewalt zusammenfasst und dabei Kindesmissbrauch und -vernachlässigung, Misshandlung alter Menschen, Gewalt durch Intimpartner und sexuelle Gewalt, Tötungsdelikte unter Jugendlichen, Selbstschädigung und kollektive Gewalt behandelt.

Der Bericht untersucht, welche Faktoren zu Gewalt beitragen, welche Lehren gezogen wurden und welche Maßnahmen ergriffen werden können. Er enthält auch Empfehlungen an die Regierungen, Forscher und Gesundheitsfachkräfte, wie sie Gewalt vermeiden und auf die Bedürfnisse der Opfer reagieren können.

„Viele, die tagtäglich Gewalt erleben, gehen davon aus, dass sie ein fester Bestandteil der menschlichen Existenz ist. Doch dem ist nicht so. Gewalt kann verhindert werden. Gewalttätige Kulturen lassen sich umkehren. Regierungen, Gemeinschaften und Individuen können etwas verändern.“, betont Nelson Mandela in seinem Vorwort.

Der Public-Health-Bereich kann bei der Bewältigung des Problems eine wichtige Rolle spielen. Er kann Wissen über unterschiedliche Aspekte der Gewalt freilegen, Wurzeln untersuchen, Mittel der Vorbeugung erforschen und Wege zur Behebung ihrer Folgen weisen. Für viele Entscheidungsträger ist es neu, Gewalt als ein Gesundheitsthema anzusehen. Der Gedanke widerspricht auch ihrer Überzeugung, dass dieses Problem dem Justizsektor zu überlassen sei. „Gewalt passiert nicht einfach wie ein unvermeidliches Naturereignis. Wenn wir verhindern wollen, dass sie Menschenleben zerstört, müssen wir gegen sie vorgehen.“, sagt Dr. Marc Danzon, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Der Bericht, der von allen Regionalbüros und unseren Kollegen in Genf gemeinsam erstellt wurde, wollte auf die Folgen der Gewalt für die Welt blicken. Selbst in den friedlichen Ländern der Europäischen Region, haben wir im vergangenen Jahr erhebliche Ausbrüche an Gewalt erlebt. Ich bin sicher, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Region die Bemühungen der WHO, gegen dieses Leid vorzugehen, sehr zu schätzen wissen.“

Der Weltbericht Gewalt und Gesundheit enthält einige aufschlussreiche Zahlen zur Gewalt in der Europäischen Region der WHO. Ein gewaltsamer Tod kommt häufiger in Ländern vor, die einem rapiden sozialen und wirtschaftlichen Wandel unterliegen, insbesondere in Ländern Mittel- und Osteuropas und in den neuen unabhängigen Staaten. Die Mordrate unter Jugendlichen ist in der Russischen Föderation beispielsweise mit 18,0 pro 100 000 Einwohnern fast doppelt so hoch wie im Weltdurchschnitt. Sie stieg zwischen 1985 und 1994 um über 150%.

In Westeuropa gibt es dagegen doppelt so viele Suizide wie Tötungsdelikte. Im Jahr 2000 starben vermutlich 815 000 Menschen durch Suizid, d. h. alle 40 Sekunden starb ein Mensch. Der Bericht nimmt diese alarmierenden Daten zum Anlass, erhebliche Investitionen in sowohl Forschung als auch Prävention zu fordern.

Kindesmisshandlung ist ein schwerwiegendes Problem für die Weltgesundheit Für Kleinkinder im Alter von 0–4 Jahren ist die Gefahr, misshandelt zu werden, am größten. Sie ist doppelt so hoch wie bei älteren Kindern. In vielen Ländern ist das Problem bislang kaum erkannt. Die Gesundheitsfachkräfte sind daher dazu aufgerufen, eine Schlüsselrolle bei der Bewusstseinsweckung und der Mobilisierung präventiver Maßnahmen zu übernehmen. Gewalt zwischen Intimpartnern und sexueller Missbrauch wirken sich hauptsächlich gegen Frauen aus. Und dies in allen Ländern und allen sozialen, ökonomischen, religiösen und kulturellen Gruppen. In 48 populations-basierten Untersuchungen aus der ganzen Welt berichteten 10–69% der Frauen davon, von einem Intimpartner einmal tätlich angegriffen worden zu sein.

Der Bericht spricht auch das Problem der Misshandlung alter Menschen an und beschreibt den Umfang des Problems, die Risikofaktoren und die Folgen. Jüngere Untersuchungen gehen davon aus, dass die Prävalenz der Misshandlung alter Menschen in Familien und Heimen 4–6% erreicht.


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