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Herzfehler vor der Geburt diagnostizieren

Die Organe und Muskeln des Menschen setzen schwache Ströme frei, die ein Bild über den Zustand des Organes z.B. des Herzens geben können. Um diese schwachen Ströme messen und in der Krankenversorgung einsetzen zu können, existiert seit vielen Jahren das Verfahren der Magnetokardiografie (MKG). Jenaer Forscher haben nun den weltweit ersten Prototypen eines fötalen Magnetokardiografen mit aktiver Abschirmung vorgestellt.

Das neue Gerät ermöglicht MKG-Messungen zur pränatalen Diagnostik in fast jedem Krankenzimmer. Der weltweit erste Prototyp des fötalen Magnetokardiografen mit aktiver Abschirmung wird erstmals während des 13. Weltkongresses für Biomagnetismus präsentiert, der am 10. August an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beginnt.

Die Magnetokardiografie entspricht dem bekannten EKG, wirkt aber viel feiner und ermöglicht es, berührungsfrei die biomagnetischen Signale des Herzens eines Kindes im Mutterleib komplett zu ermitteln. Mit diesem Verfahren ist eine vorgeburtliche Diagnostik von Herzrhythmusstörungen möglich, die bei etwa 1%-2% aller Geburten vorkommen. "Es gibt keine Alternative zu dieser Methode", weiß Dr. Ekkehard Schleußner von der Jenaer Uni-Frauenklinik. "Das MKG kann therapieentscheidende Bedeutung haben", hat der 41-jährige Mediziner erlebt. Drei Leben wurden in der Jenaer Klinik bereits gerettet, da die Erkenntnisse der MKG-Messungen zu einer anderen Behandlungsentscheidung führten. "Das Gerät schafft neue Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik", schwärmt Schleußner, die etwa der Ultraschall nicht bieten kann. Außerdem, so fanden die Jenaer Mediziner jetzt heraus, lässt sich mit dem MKG auch das Geburtsgewicht genauer vorhersagen als mit üblichen Methoden.

Doch fötale MKG-Untersuchungen sind bisher nur in einer Handvoll Zentren in Europa möglich, da nur dort die entsprechende Ausstattung vorhanden ist. Dazu gehört auch das Biomagnetische Zentrum des Jenaer Uni-Klinikums. Hier existiert seit 1994 eine MKG-Kammer, die elektrisch und magnetisch streng von der Außenwelt abgeschirmt ist, um die feinen Ströme überhaupt messen zu können. Der neu entwickelte Prototyp kommt nun ohne eine solche Kammer aus und ist durch eine integrierte aktive Abschirmung mit nur wenigen Zusatzumbauten in fast jedem Krankenzimmer anwendbar.

Möglich wurde dies durch eine Integrierung von Sensor und Gradiometer - zwei eng nebeneinander stehende Antennen - auf einem Chip, die das Team um Dr. Hans-Georg Meyer vom Institut für Physikalische Hochtechnologie e. V. Jena (IPHT) geschaffen hat. Diese Spezialchips bestehen aus hoch empfindlichen SQUIDS, die unter Supraleitung bei minus 269 Grad Celsius arbeiten und Magnetfelder im Bereich von Femto-Tesla (10 hoch minus 15) messen können. Außerdem wurde im Biomagnetischen Zentrum der Universität eine "aktive Kompensation" durch Hard- und Software entwickelt. Dabei setzen die Forscher um Zentrumsleiter Dr. Jens Haueisen auf ein aus der Akustik bekanntes Phänomen: Gegen das störende - in diesem Fall magnetische - Feld wird ein identisches Feld aufgebaut, das das Störfeld neutralisiert. "Das klingt einfach, ist es aber nicht", verweist Haueisen darauf, daß das Neutralisieren fast mit Lichtgeschwindigkeit funktionieren müsste. Außerdem, gesteht der 36-jährige Elektroingenieur, gibt es bis heute noch Probleme, wenn niederfrequente Störungen ausgeschaltet werden müssen. Ein in der Nähe startender Fahrstuhl bringt die neu entwickelte Software an den Rand der Funktionsfähigkeit. Daher wird auch an der Jenaer Software in Zukunft noch weiter gearbeitet. Und auch für den Einsatz in einer sehr störreichen Umgebung, wo bisher manchmal Probleme auftreten, wollen die Partner das Gerät bis zur Serienreife weiter entwickeln. Neben dem Biomagnetischen Zentrum der Uni Jena und dem IPHT in Kooperation mit dem Jenaer Hightechunternehmen Supracon AG gehören die Squid AG aus Essen sowie die JenaSQUID GmbH zum Projektteam, das in den letzten zwei Jahren alleine vom Bundesforschungsministerium mit mehr als einer Million Euro gefördert wurde.

"Mit dem neuen Gerät sind wir in der Lage, Störfelder auszuschließen, wie dies bisher nur in der Kammer möglich war", fasst Dr. Schleußner zusammen, "was nur durch die interdisziplinäre Kooperation gelungen ist. Das Gerät ist mit geringem Aufwand im klinischen Bereich anwendbar und von großem praktischen Nutzen", unterstreicht der Frauenarzt. Und wenn das System eine breitere Anwendung erfährt, werden sich im Lauf der Zeit noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten ergeben, an die die Wissenschaft bisher nicht gedacht hat, sind die Jenaer Entwickler vom Wert ihres Produkts überzeugt.


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