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Britische Ärzte fürchten Klagen

Nicht nur beeindruckende Forschungen und Hi-Tech Therapien verändern die Medizin: Die fast durchwegs gestärkten Patientenrechte und die damit verbundenen Klagedrohungen haben ebenfalls ihren Beitrag dazu geleistet. Britische Neurochirurgen beklagen allerdings auch negative Auswirkungen.

Einer Analyse des renommierten Nachrichtensenders BBC zufolge werden hunderte Gehirnoperationen deswegen nicht durchgeführt, weil nach Einschätzung des - durchwegs hohen - Operationsrisikos niemand bereit ist, eventuelle Rechtsfolgen in Kauf zu nehmen.

Mehr als 70% der befragten 133 Mitglieder der Gesellschaft Britischer Neurochirurgen gaben an, daß die wachsende Anzahl von Kunstfehlerprozessen während der letzten 5 Jahre ihre Einstellung gegenüber ihrem Beruf verändert hätte: Sie würden, so die Umfrageergebnisse, vor allem ältere Patienten, Patienten in "nicht so ernstem Zustand" und "bei nicht 100% Operationserfolg wahrscheinlich klagefreudigere" Patienten eher nicht operieren.

Auch waren 75% der ChirurgInnen innerhalb der letzten 12 Monate schon einmal geklagt oder mit Klagedrohungen konfrontiert worden - Angaben, die mit jenem Trend übereinstimmen, der in den letzten 10 Jahren Klagen wegen Kunstfehlern von 97 auf 272 Fälle ansteigen ließ.

Daß das Thema von den GehirnchirurgInnen sehr ernst genommen wird, zeigt der Rücklauf der Antworten auif die Umfrage: Von allen 190 kontaktierten Gesellschaftsmitgliedern antworteten über 70%.

"Die Atmoshpäre von Schuld und Schuldzuweisung, falls nicht alles komplett perfekt läuft, führt dazu, daß die Ärzte erst einmal abwarten und vorsichtig abwägen", fürchtet Ciaran Bolger, Neurochirurg des Frenchay Hospital in Bristol die Konsequenzen für Patienten, die sich dringend notwendigen, jedoch risikoreichen Operationen unterziehen müssten.

Diese Einschätzung wird auch von Patientenrechtsgruppen geteilt:
Kevin Curley, Sprecher von "Headway", einer karitativen Organisation für Kopf- und Gehirnverletzte: "Ich bin offengesagt schockiert von diesen Ergebnissen. Der Gedanke, daß lebenswichtige Operationen aus Angst vor Klagen nicht durchgeführt werden, ist total unakzeptabel!".


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